Ein Jahr lang hat das himmeblau Magazin die Munich Mountain Girls begleitet. Den Abschluss der Reihe bildet eine ebenso sentimentale wie ermutigende Conclusio der Zusammenarbeit – und frei nach Goethe sowohl Abschied als auch ein Willkommen…
Fotos: Stefanie Ramb, Julia Topp, Niklas Siemens, Munich Mountain Girls
Weil meine Familie meine Bergerlebnisse nur aus Erzählungen kennt, mache ich ihr jedes Jahr zu Weihnachten einen Fotokalender mit dem schönsten Bergmoment jedes Monats. Der Nagel hat seinen festen Platz neben der Wohnzimmertür. Mit jeder Jahreszahl wechselt der Kalender. Komme ich zu Besuch, fällt mir nicht nur ein großformatiges Foto aus meinem Bergjahr ins Auge, auch die entsprechende Geschichte mitsamt den Gefühlen fallen mir wieder ein. Herrlich. Ähnlich geht es mir und meinen Bergfreundinnen, wenn wir die himmeblau-Ausgaben von 2022 durchblättern. Ausgabe für Ausgabe Erinnerungen an ein Jahr unter und mit den Munich Mountain Girls. Zeit für ein Resümee – mit lachendem und weinendem Auge.
Zunächst haben wir davon erzählt, wie es dazu kam, dass aus dem Wunsch, in München weibliche Gesellschaft für Bergwanderungen zu finden, eine 15.000 Frauen starke Bergfreundinnen-Community wurde. Wir haben darüber geschrieben, warum uns die Berge begeistern, was wir da oben suchen, finden und wie wir uns ihren Herausforderungen stellen. Eine hat mit dem Begriff der „Anstrengung“ zu tun. „Das ist doch krass anstrengend, wieso quälst du dich so?“ Diese Frage höre ich immer wieder aus meinem Freundeskreis, zumindest vom nicht-berggehenden Teil, sobald ich von schweißtreibenden Höhenmetern erzähle; davon, wie brenzlig manche Situation war; wie müde und hungrig diese Touren immer wieder machen; wie sehr man an einem Skitourenwochenende frieren kann. Zugegeben: Wenn der Wecker an einem Samstag um 3 Uhr frühmorgens klingelt und ich mich aus dem kuscheligen Bett quäle, um zuerst einmal stundenlang bergauf zu stapfen, dann ist das im ersten Moment kein Genuss. Es wird aber im Laufe des Tages einer!
Ich erlebe höchst selten Zeit am Berg, die ich letztlich nicht zutiefst genieße. Ein Sonnenaufgang (für den lohnt es sich immer aufzustehen!), ein neugierig durch die Bäume spitzendes Tier, ein beeindruckendes Panorama, eine Lichtspiegelung, ein gutes Gespräch mit Begleiterinnen, ein Käsebrot, das am Gipfel besonders gut schmeckt – und dann diese entspannte Erschöpfung am Abend; alles das hält die Begeisterung für die Bergwelt am Leben. (Und nicht selten gesellt sich am Ende des Tages ein neuer Punkt auf die Gelernt-Liste.)
Großglockner als Grenzerfahrung
Berge sind keine Sportgeräte, sondern eine sich ständig verändernde Umgebung und sie „bestimmen“. Das ist gleichzeitig schön und schlimm. Wir können lernen, mit ihnen klar zu kommen. Wenn nötig zeigen sie uns, dass wir noch ein bisschen mehr üben müssen. Davon erzählen zum Beispiel Eva und Antonia in ihrer Geschichte über die Besteigung des Großglockners (Ausgabe Juli/August 2022). Die Tour hatte ihre Tücken, machte aber nicht nur Ärger, sondern lud auch ebenso wertvolle wie große Portionen auf Antonias Erfahrungs-Konto. Das ist ein wichtiger und besonders schöner Aspekt des Bergwanderns: Erfahrungen sammeln. Keine Tour – ob zu Fuß, beim Trailrunning, beim Klettern, auf Skiern, ob kurz oder über viele Tage – gleicht der anderen, nicht einmal auf derselben Strecke.
Was Jules im Sommer in Laufschuhen erkundet (sie erzählte von ihrer Trailrunning Leidenschaft in der Mai-/Juni-Ausgabe 2022) sehe ich vielleicht im Winter mit Tourenski. Und auch wenn wir letztlich die gleiche Entfernung und Höhenmeter hinter uns gebracht haben sollten, werden es vollkommen unterschiedliche Erlebnisse gewesen sein. Das kann uns im Fitnessstudio nicht passieren. Beinpresse bleibt Beinpresse. Und die Aussicht von der Beinpresse? Eine triste Wand oder der Rücken der anderen Trainierenden…
Ich frage mich oft, ob die Entbehrungen und oben erwähnten Qualen im Verhältnis zur erlangten Zufriedenheit stehen. Je mehr Qual, desto mehr Glück? In der Frühjahrsausgabe 2022 erzählte ich vom Hüttenwandern – eine Disziplin des Wanderns, die auch von wenig Schlaf, viel Schmerz und fehlender Körperhygiene geprägt ist. Doch obwohl die Menschen zu Hause tiefer schlafen, mehr duschen und sich besser vom Tagwerk ausruhen könnten, sind die Hütten im Sommer voll. Was treibt sie hinauf in die spartanischen Behausungen, wo sie mit anderen schnarchenden und stinkenden Menschen in einem Raum liegen, um am nächsten Morgen ihre geschundenen Füße wieder in diese harten Schuhe zu stecken und weiterzugehen – ob es regnet oder die Sonne bollert? Ich glaube, großen Anteil hat die Tatsache, dass sie Erfahrungen machen, die nicht mit denen des Alltags übereinstimmen. Sicher, die macht man auch eingepfercht an Strand von Rimini, aber dort brennen sie sich eher in die Haut, nicht in die Seele…
Arbeiten auf einer Berghütte
Marta erzählte in der September-/Oktober-Ausgabe von einer weiteren Variante des Hüttenlebens. Denn sie war die, die oben blieb. Diese Zeit hat viel mit ihr gemacht, und obwohl sie entbehrungsreich und ohne Freizeit verstrich, ist das Fazit aus ihrem Hüttensommer im Karwendel durchgängig positiv. Obendrein lernte sie Privatsphäre auf kleinsten Raum, Stille und Fernblicke zu schätzen. Apropos Blicke: es widerstrebt mir, auf einer Parkbank zu sitzen und über eine Wiese zu starren. Auf einem Felsen sitzend einen Berg anstarren kann ich hingegen ganz gut.
Denn Berge können schauspielern. Mit Veränderung des Lichteinfalls verändern sie ihr Aussehen, mit den Jahreszeiten (geschweige denn Jahren) sogar ihre Form. Sie verstecken in ihren Senken eiskalte Seen, erzählen mittels überwachsener Grate Geschichte(n) und können laut und gefährlich werden. Wer je eine Lawine sah, weiß wovon ich spreche.
Wir „Munich Mountain Girls“ hoffen, dass Leser*innen nach diesem einjährigen Ausflug in und mit himmeblau ein wenig nachvollziehen können, warum wir das tun, was wir tun. Gemeinsam in die Berge gehen. Hoffentlich konnten wir die Lust we- cken, auch mal (wieder) die Schuhe zu schnüren. Und wer als Frau vielleicht noch einen letzten Schubs oder Tipp benötigt oder eine Bergfreundin sucht, darf sich gerne bei uns melden. Unsere Community besteht aus 15.000 Frauen in allen Altersstufen, allen Levels, allen DACH-Regionen, die immer Bock auf Berge und Zuwachs haben.
Mehr von den Munich Mountaingirls? Hier gibts Erfahrungen auf der Mittenwalder Hütte
ÜBER DIE AUTORINNEN:
Stefanie ist Mitglied der Community der Munich Mountain Girls. Dort versammeln sich on- und offline an die 15.000 Frauen, die die Liebe zu den Bergen vereint. Sie verabreden sich zu Touren, nehmen gemeinsam an Kursen teil und inspirieren und unterstützen sich gegenseitig. Wenn auch du eine Bergfreundin finden willst oder Tipps zu Themen rund um den Bergsport brauchst, dann komm zu den Munich Mountain Girls – für alle Frauen zwischen 16 und 66, für Anfängerinnen, Cracks, egal woher und mit welcher Motivation.