Tufting gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Damals entstanden handgeknüpfte Teppiche, heute moderne Motive mit mechanischer Unterstützung. Doris Laser gibt eigenen Illustrationen mit der Tufting-Pistole einen flauschigen „Schuss“.
Beide Hände an die Pistole! In der rechten Hand liegt der Griff mit dem Schalter, die linke stützt und baut Druck auf. Druck auf die Leinwand, die Doris in einen selbst gebauten Rahmen gespannt, befestigt und mit haufenweise Nägeln auf Zug gebracht hat, die alle rund einen Zentimeter voneinander stehen. Die Spitze der Pistole drückt in die Leinwand – und sobald der Schalter betätigt wird, fährt sie los und zaubert blaue Wollbahnen, die später unsere himmeblau-Wolke bilden, in das Trägermaterial.
Wundern Sie sich, warum ausgewiesene Pazifist:innen plötzlich mit „Pistolen“ hantieren? Nun, solange die keine Kugeln, sondern Fäden schießen, geht das wohl in Ordnung! Beim Tufting zaubern Pistolen bunte Kunstwerke, die sowohl auf Böden, Wänden und auch als Accessoires eine gute Figur machen.
Zum Tufting bei Doris
Zum Tuften besuchen wir Doris Laser. Sie ist selbstständige Illustratorin, was ihre Motivauswahl beim Tufting erklärt. Anders als unsereins muss sie nicht nach Vorlagen fürs Tuften suchen, sie macht sich einfach welche. So entstehen ganze Serien an tuften Kunstwerken.

Doris ist in einem kreativen Umfeld aufgewachsen, inspiriert von der Natur und den Bedingungen um sie herum. Ihre Augen leuchten, wenn sie von ihrer Kindheit erzählt und uns ganz selbstverständlich daran erinnert, wie in einer Welt ohne Dauerbeschallung durch Medien das eigene Fühlen viel größeren Raum einnehmen kann.
Nach einem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens und zwei Söhnen ist sie selbstständige Illustratorin und hat das Tufting nicht nur für sich entdeckt, sondern gibt mittlerweile auch Kurse.
Vorbereitung ist alles

In der Vorbereitung fürs Tuften kommt die Vorlage des Motivs spiegelverkehrt auf die Rückseite des Materials, denn getuftet wird von hinten nach vorne. Ob es flauschige „Stoppeln“ werden oder Schlingen, entscheidet die verwendete Maschine. Im Grunde funktionieren alle Tufting-Pistolen gleich: Man fädelt das Garn ein (je nach Dicke und Art muss man es eventuell doppelt nehmen) und sobald sich eine Schere in der Maschine befindet, werden die Schlaufen, die sich standardmäßig beim Tuften bilden, zerschnitten und es kommen die „Fransen“ zum Vorschein. Theoretisch könnte man die Schlaufen auch manuell durchschneiden. Je nach Größe ist das aber recht aufwändig. Da bei uns die Stoppel angesagt sind, schneidet die Schere gleich durch. Das Gute: Wenn man sich mal „vertuftet“, kann man einfach die falschen Fäden ziehen und neu drübergehen.

Angefangen hat für Doris alles mit einem Badezimmer und dem Wunsch nach einem besonderen Teppich. Auf Instagram habe sie einen entsprechenden Läufer entdeckt, der habe ihr richtig gut gefallen, sagt Doris. Sie fackelte nicht lang und schrieb die Nutzerin an, ob sie den denn verkaufe. „Dabei war das gar kein Badteppich sondern ein kleiner Wandbehang“, lacht Doris. So klein wie ein Blatt Papier, und sie sei auch nicht die einzige gewesen, die angefragt habe. Dieser kleine Wandteppich war der Auslöser für Doris‘ Reise durch die Tufting-Bubble auf Instagram – eine Reise der Inspiration.
„Ich dachte, ich könnte das ja mit meinen Illustrationen versuchen“, erzählt sie. Dabei hegte sie noch keinerlei wirtschaftliche Interessen oder Gedanken an eine eventuelle Kommerzialisierung. Ihr ging es erst einmal nur darum, ihren Stil, ihre Bilder zu veredeln. Und Tufting erschien ihr einfach als perfekte Methode.
Vom Läufer zur eigenen Tufting-Ausrüstung
Aus der Suche nach einem Badläufer wurde ein Tufting-Kurs in Stuttgart. Bereits da nutze sie eine ihrer Illustrationen und fuhr nach dem Kurs glückselig und vom Tuften komplett überzeugt zurück nach Hause. Genauso schnell, wie sie den Kurs gebucht hat, legte sie sich die Sachen zum Selbertuften zu und legte los. Sie veredelte ihre Illustrationen, zeigte sie der Welt auf Instagram sowie Kunsthandwerks-Märkten und dann gings auch schon los: Sie bekam Anfragen für Kurse, die Menschen wollten Teppiche und Auftragsarbeiten kaufen, sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld.

Die Kurse (hauptsächlich im Patch.Work Seeon) finden meist in ganz kleinen Gruppen und in unterschiedlich intensiven Kursmodulen statt – „damit ich mir ordentlich Zeit nehmen kann“. Dieses massenhafte „Durchschleusen“ liegt der 51-jährigen nicht. Allerdings ist es durchaus möglich, einen Workshop in den eigenen vier Wänden oder anderen Örtlichkeiten zu buchen, je nach Gusto. Ab April gibt es das Tuften sogar als Firmenevent.
Wir befinden uns wieder bei der Wolke. Bevor wir mit dem weißen Hintergrund beginnen, wird rasiert. Die Oberfläche wird mit einem extra Teppichrasierer „glatt“ rasiert. Die Konturen werden geglättet, damit die Farben nicht „ineinanderlaufen“ und die Abgrenzung später einfacher wird. Was hinten verknotet ist und eine relativ glatte Fläche bildet, explodiert vorne regelrecht in Weichheit. Wir können unsere Finger gar nicht von der Vorderseite lassen. Es ist so flauschig!
Aktuell kann Doris „nur“ bis zu einer Größe von 90×90 Zentimetern tuften. Sie braucht mehr Platz, damit ein größerer Rahmen aufgestellt werden kann. Den hat sie schon in Arbeit dann sind auch größere Teppiche und höhere Installationen machbar. Ihr kleines Büro im Patch.Work in Seeon ist bis unter die Decke voll mit Wolle und Werken. Ihr getuftetes Erstlingswerk aus dem Stuttgarter Kurs bewahrt sie hier ebenso auf wie ihre Illustrationen auf Alu-Dibond-Platten oder Tufting-Proben von neuem Garn. Da sie sich aber auf einer Etage mit mehreren Büroräumlichkeiten befindet, kann sie hier nicht tuften – zu laut! Sie trägt immer alles nach unten in die „Kreativwerkstatt“; oder sie tuftet bei sich zuhause in ihrem Tuftingspace.

Die Nachbereitung
Wenn das Getuftete fertig ist, wird es verklebt, meist mit flüssigem Latex. Doris sucht noch nach einer hübschen Rahmenlösung, die sowohl drumherum als auch hintendran schick aussieht und dabei erschwinglich ist. Gar nicht so einfach, wenn man ein bisschen perfektionistisch veranlagt ist. Aber dieser Perfektionismus treibt die Tufterin ja auch an. Und ohne Doris wäre das Tuften vermutlich noch gar nicht im Chiemgauer Bewusstsein angekommen. Übrigens: Wer Interesse am Tuften hat, benötigt keinerlei Vorkenntnisse – nur ein ruhiges Händchen und Doris‘ Kontakt:
Doris Laser
Minimalistische Illustrationen und Tuftingkunst
Büro // Patch.Work GmbH
Martinistraße 7
83370 Seeon