Weitwandern macht Tagträume real – und jetzt im Frühjahr ist die beste Zeit, sich auf die Touren des Sommers vorzubereiten. „Munich Mountain Girl“ Stefanie Ramb gibt Tipps für eine gelungene Planung und verrät, warum sie Hüttentouren trotz Käsefuß-Alarm traumhaft findet.

An mein erstes Mal kann ich mich nur mehr dunkel erinnern. Kann sein, dass es irgendwann in der Mittelstufe war, mit meiner damals besten Freundin, ihrer Schwester und ihren Eltern. Ich weiß noch, dass wir nach dem Abendessen an einem Tisch mit rot- weiß-karierter Tischdecke MauMau gespielt haben, dass es am nächsten Morgen regnete und wir eingematscht bis zu den Knien wieder am Auto ankamen. Zum Zeitpunkt der nächsten Erinnerung hatte mich das Feuer dann schon unauffällig gepackt.

Vom Weitwander-Feuer entzündet

Vielleichtwar es der Urlaub in Südamerika, wo wir in Hüttenschlafsäcken in Hängematten schliefen (und trotzdem voller Bettwanzenpusteln erwachten), oder die erste Alpenüberquerung, die es in mir entzündete. Ich spreche vom Hütten- und Weitwander-Feuer, über dessen helles Knistern ich sehr glücklich bin, denn es hat mir in den letzten Jahren die schönsten Begegnungen und Augenblicke beschert, die ich mir vorstellen kann.

Es brachte Momente, in denen ich das Gefühl hatte, dass nichts fehlt und nichts zu viel ist; dass der Augenblick perfekt ist; dass nichts als bedingungslose Vorfreude auf die nächste Etappe gerade eine Daseinsberechtigung hat. Natürlich wache auch ich nach einer Riesenpor-tion Käsespätzle mit Kaiserschmarrn zum Nachtisch am nächsten Morgen mit schwerem Bauch auf, habe kleine Augen, weil die Zimmernachbarn viel zu laut schnarchten, kann mich kaum bewegen, weil mir die letzte Etappe in den Knochen steckt. Das laute Ächzen auf den Fluren einer Hütte und das Streicheln der eigenen Blessuren gehörengenauso zum Weitwandern wie schaler Filterkaffee und zerbrochene Müsliriegel. Die Glückshormone sehen großzügig darüber hinweg!

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Tipps zum Weitwandern: Rucksack und Dauer der Etappen beachten

Eines der wichtigsten Anliegen sollte vorab darin bestehen, das Gewicht des Rucksacks und die Dauer der Etappen in ein möglichst verträgliches Verhältnis zu bringen. Denn unnötiger Ballast und in der Folge schmerzende Schultern können die Laune enorm verderben. Anders als bei Regen, schnarchenden Zimmernachbar*innen oder schlechtem Essen auf der Speisekarte ist das Gepäck jedoch der Punkt, an dem ich selbst die Stellschrauben ziehen kann. Egal ob meine Wanderung eine oder zehn Nächte dauern soll – am Inhalt meines Rucksacks ändert dies eigentlich nichts:

Tipps zum Packen fürs Weitwandern:

  • Eine Garnitur (Merino-)Kleidung trage ich am Körper
  • eine zweite plus Regen- und Wärmeschicht (aka Schlafleggings) auf dem Rücken
  • Dazu kommen ein sehr abgespeckter Kulturbeutel inklusive Ohrstöpsel und Blasenpflaster
  • ein kleines Handtuch
  • das Erste Hilfe Set
  • ein Biwaksack für Notfälle
  • ausreichend Wasser und ein paar Snacks
  • die Stirnlampe
  • Ladekabel fürs Smartphone
  • Kartenmaterial zur Tour

Das wars auch schon.

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Apropos Kartenmaterial: Das Smartphone dabei zu haben heißt nicht, dass es auch funktioniert. Der Akku wird immer genau dann leer sein, wenn ich in strömendem Regen im Niemandsland stehe – so lautet eines von vielen Wan-dergesetzen. In diesem Fall auf einer laminierten Papierkarte nachsehen zu können, welche der letzten Abzweigungen die richtige gewesen wäre, ist ziemlich viel wert. Übrigens: Welche Pfade ich nehmen will, überlege ich mir vor der Tour! Denn ohne akkurate Tourenplanung bricht man besser nicht auf. Sie, die Planung, ist oft schuld da- ran, dass ich tagträumend durch die Stadt spaziere oder beim Skifahren meinen Bergfreundinnen schon mit Plänen für sommerliche Wandertouren in den Ohren liege.

Tipps zum Weitwandern: Die Touren-Wunschliste pflegen

Seitdem ich eine Touren-Wunschliste führe, möchte ich am liebsten 120 Jahre alt werden. Denn so lange dürfte es mindestens dauern, um diese Liste abzuarbeiten (die obendrein auf jeder Tour exponentiell wächst). So herrlich die Aussicht von einem Berggipfel auch ist – schlauer wäre es, die Augen zu schließen, um nicht weitere Ziele für meine Liste zu erspähen. Zu meiner Tourenwunschliste gehört eine digitale Karte mit Fähnchen zu jeder Wunschtour. Manchmal ergeben sich entlang dieser Fähnchen auf natürliche Weise Mehrtagestouren, die dank des dichten Hüttennetzes in den Alpen mit Übernachtungsmöglichkeiten gespickt sind, manchmal erzählt mir die Wunschliste einen möglichen Weg, bei dem ich dann nur noch Hütten und Gipfel in eine sinnvolle Reihe bringen muss. Manchmal schnappe ich auch irgendwo eine Route auf, die ich nachgehen möchte.

Die Community weiß mehr als Online-Wanderkarten

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Tourenplanung anhand der (Online-)Karte kann ganz schön verflixt sein, weil mir Höhenlinien und Maßstab ja nur bedingt sagen, wie rutschig die Wege, wie ausgesetzt die Bergrücken, wie ausgelastet die Hütten sein werden. Doch sie hilft mir, zu erahnen, was in etwa mich erwartet; ob ich das Klettersteigzeug mitnehmen muss oder leichte Bergstiefel statt der festen Halbschuhe doch die bessere Wahl sein könnten. Den Rest der planbaren Faktoren regeln das Internet (soll heißen, die Menschen, die mir im Internet verraten können, wie die Bedingungen gerade sind, im letzten Jahr waren oder zu meiner Wunschzeit vermutlich herrschen werden).

Spätestens am Abend der ersten Etappe stellt sich ein unglaubliches Gefühl ein: das Gefühl bedingungsloser Präsenz. Ich habe trockene Kleidung angezogen, verschwitzte aufgehängt, ein Bett okkupiert, (am liebsten oben und am Fenster), blicke selig auf die erste Etappe zurück, freue mich, nichts im Tale vergessen zu haben, sitze auf der hoffentlich von der Abendsonne angestrahlten Hüttenterrasse, halte ein erfrischendes Getränk in der Hand – und freue mich einfach des Lebens. Am nächsten Tag steht keinerlei Ver- pflichtung an, außer der, meine geplante Etappe zu gehen. Diese Augenblicke sind der reinste Genuss.

Die Tücken des Weitwanderns

Weitwandertage können aber auch ganz schön hart sein, machen wir uns nichts vor. Nicht immer sind die Bedingungen perfekt oder so, wie von Kartenmaterial und den Menschen im Internet vorhergesagt. Doch das lässt sich meist aushalten, wenn nicht auch noch die Nächte schlauchen. Diese Gefahr besteht meist dann, es im Mat-ratzenlager unruhig wird. Ohrenstöpsel lindern zwar den Geräuschpegel, doch entsprechende Nasenstöpsel gegen die„Käsefüßler“ wurden noch nicht erfunden. Eine Horde Menschen, die nicht selten tagelang keine Dusche gesehen haben und in den immer wieder selben Klamotten stecken (oder gar mangels Platz ihre Socken vor meiner Nase auslüften), können ein Raumklima ganz schön ins Wanken bringen. Wenn dann noch eine nächtliche Diskussion darüber stattfindet, ob die Fenster auf, zu oder gekippt werden, brauche ich am nächsten Morgen gern mal eine zusätzliche Tasse Hüttenkaffee.

Einsam weitwandern – das ist die Ausnahme

Spätestens am nächsten Gipfel sind die Stinker*innen und Schnarcher*innen vergessen. Wir haben alle unsere Berechtigung, da oben zu sein. In den Alpen ist es fast egal, durch welche Gefilde die Tour führt – ganz allein wird man nie sein. Da müsste man schon sehr abgelegene Gebiete durchstrei-fen, sehr schlechtes Wetter erwischt haben oder sich entlang geschlossener Hütten bewegen. Das würde allerdings ein Übernachtungsproblem bedeuten – denn Zelten ist in den Bergen nicht erlaubt! Wer einsam unterwegs sein will, sollte sich also eine Ziel aussuchen, das wildes Übernachten toleriert (die skandinavischen Länder tun das zum Beispiel) und dort Touren in wenig erschlossenen Gebieten planen. Doch Obacht: Da reichen ein einziges zusätzliches Shirt und ein paar Riegel mehr im Rucksack keinesfalls aus! In solchen Fällen kann die Ausrüstung schon mal an die 20 Kilo wiegen – das muss man erstmal schleppen. Das ist dann aber die „Advanced-Version“ des Weitwanderns, bei der ein bisschen Kartenlesen und Internetsurfen als Vorbereitung nicht! ausreichen.

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Ein Gespür bekommen

Wer noch nie in einer Hütte geschlafen hat oder länger als einen Tag in den Bergen auf den Beinen war, sollte klein anfangen: erst eine Nacht, dann zwei, dann drei. Bis man schließlich ganz natürlich längere Etappen und schwierigere Wege wagen kann. Buchlä- den sind voller Ratgeber, Tourenführern und Kartenmaterial, die Bibliotheken ebenso. Ich habe jedes Mal ein Kribbeln im Bauch, wenn ich beginne, die nächste Weitwander-Tour zu planen. Über die bevorstehenden Etappen zu lesen, ein ein erstes Gespür für die Gegend zu bekommen, fühlt sich fast so schön an wie der erste Schritt, am Fuße des Berges, den Gipfel vor Augen.