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Bei „Gmiashunger“ in Kolbermoor lernen Feinschmecker, wie man regionales Bio-Gemüse in saure Schmankerl verwandelt. Der Trick heißt „Fermentation“ und ist tausende von Jahren alt. Sibylle Hunger jedoch macht ein genauso zeitgemäßes wie kreatives Handwerk daraus.

In der Schüssel häufen sich geriebener Kohlrabi, Spitzkohl und („als Farbtupfer“, sagt Sibylle Hunger) eine Karotte. Meine Aufgabe lautet: Die Masse mit beiden Händen ordentlich durchkneten. So lange, bis ein richtig feuchter Matsch entstanden ist und das Geschnibbel buchstäblich im eigenen Saft schwimmt. Dieses und kiloweise weiteres erntefrisches Gemüse wie Spargel, Radieserl, Radi und Rhabarber stammen von einem Biohof, auf dem sich unsere Dozentin mit kerngesundem Grünzeug eindeckt, wenn es mal für einen Kurs wie dem unseren reichen soll. Ihre Familie (Mann mitsamt fünf Kindern) verwöhnt Sibylle mit Biogemüse von den Feldern der ersten solidarischen Landwirtschaft im Raum Rosenheim – der „Solawi Landlmühle“ in Stephanskirchen, zu deren Gründer*innen sie gehört.

Gemüse und Hunger: Wir haben „Gmiashunger“ zu Gast. So taufte die „Fermentista“ ihre Ein-Frau-Firma, mit der sie Interessierten das Handwerk der Fermentation nahebringt. Bevor wir selbst nach ihrer Anleitung Hand an Rohkost, Reibe, Stampfer und Einweckgläser legen, durften wir eine ganze Reihe mitgebrachter Köstlichkeiten kosten.

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Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: Kräuter und Gewürze verleihen den Kreationen einzigartigen Geschmack.
Fotos: Andreas Jacob

Spargel-Lake: Fichtenspitze als Aroma-Spender

Was uns Sibylle kredenzt, ist eine Symphonie in Sauer! Es gebe, hat sie uns erklärt, drei triftige Gründe, diese uralte Methode der Lebensmittelverarbeitung für sich zu entdecken. Einer davon (und zwar nachweislich, wie wir begeistert feststellen): der in der kulinarischen Landschaft einzigartige Geschmack fermentierten Gemüses – beziehungsweise die einzigartigen Geschmäcker, denn keines der Rezepte gleicht am geneigten Gaumen dem anderen; und sie alle munden und duften tatsächlich außergewöhnlich. Eine Intensität, an die sich Mund und Nase erst gewöhnen müssen, der jedoch eine sofort in den Bann ziehende Frische innewohnt. Sibylle hat aber auch eine enorme Experimentierfreude und Kunstfertigkeit entwickelt, seit sie vor nicht ganz zehn Jahren begann, ihr Repertoire vom schon zeitlebens heißgeliebten Sauerkraut (das deutsche Paradebeispiel für die Fermentationstechnik) auf alle möglichen Gemüsesorten zu erweitern. Nach dem krautigen Dreierlei zum Beispiel warten schon schöne, dicke Spargelstangen, die wir mit Rhabarber und Frühlingszwiebeln zu Lake legen werden, begleitet von Zitronenscheibchen und einer Fichtenspitze.

Die Liebe zum Sauerkraut und damit zur Fermentation sei ihr in die Wiege gelegt, erzählt Sibylle. Die Mutter stammt von einem Gutshof im Sudetenland und brachte die Tradition mit nach Bayern, im Keller jeden Herbst ein Fass mit Sauerkraut anzusetzen. Folgerichtig habe auch sie der eigenen Familie den Winter über schon immer gerne Sauerkraut serviert. Jedes Frühjahr sei sie dann regelrecht traurig gewesen, wenn der Vorrat zuneige ging, erinnert sich Sibylle. Sie hatte so einen unbändigen Appetit auf Sauer, dass sie sich eines Tages sagte: „Das muss doch mit jedem Gemüse gehen!“ Sie eignete sich sämtliches, verfügbares Wissen über diese genauso einfache wie geniale „Verwandlungskunst“ an, schlemmte nach Herzenslust das ganze Jahr über – und beschloss bald, ihre Leidenschaft in Form von Kursen weiterzugeben. Heute hat „Gmiashunger“ vom Aufwand her fast schon ihren ursprünglichen Job als Systemische Gesundheitscoachin verdrängt.

Bayerisches Chimichurri, Mangold-Kimchi, Miso-Paste aus österreichischem Kürbiskerntrester, Karotten-Zwiebel-Curry: Kaum zu glauben, was sich auf unseren Zungen abspielt. Dabei steckt im Grunde nicht viel in so einem Einweckglas – weder an Zutaten, noch an Arbeit: Die gewählte Gemüse-Kombination, ein paar Kräuter und Gewürze, gegebenenfalls Wasser (oder eben, wie in meinem aktuellen Fall, der eigene Saft des Gemüses) und – sehr wichtig – eine ans Gewicht angepasste Prise Salz. Die Maßeinheiten sind denkbar einfach: zwei Prozent Salz und so viel Flüssigkeit, dass alles vollständig bedeckt wird. Denn: „Alles wird gut, wenn´s unter Lake ruht!“

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Sibylle Hunger
Fotos: Andreas Jacob

Wenn Milchsäurebakterien Samba tanzen

Luftdicht verschlossen, muss so eine Mixtur dann nur ein paar Tage bei Zimmertemperatur vor sich hinblubbern. „Die Milchsäurebakterien mögen´s kuschelwarm“, sagt Sibylle, „dann tanzen die Samba.“ Ab circa zehn Tagen haben sich erste Aromen entwickelt. Und die erfreuen Genießer dann wochen, ja monatelang. Denn ursprünglich – um die beiden anderen Argumente für die Fermentation noch ins Feld zu führen – sei es dabei weniger um den Genuss gegangen als vielmehr um die Konservierung. Die Anwesenheit von Salz und die Abwesenheit von Sauerstoff entziehen Bakterien oder Schimmelpilzen („Fieslinge“, sagt Sibylle) die Nahrung. Dafür bildet so eine Portion Saures feinstes Futter für unsere Darmbakterien. „Probiotisches, Präbiotisches, Postbiotisches – Fermentiertes Gemüse ist voller Leben, das der Darm liebt“, sagt Sibylle. Und dessen Rolle für ein gesundes Immunsystem steht heutzutage außer Frage. Fragt sich nur, warum wir nicht früher auf den Geschmack gekommen sind. Unser „Gmiashunger“ ist nach diesem Kurs jedenfalls voll entfacht.

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