Mitten im bayerischen Inntal liegt eine uralte Traditionsgaststätte, der eindrucksvoll ein kulinarischer Brückenschlag gelingt: die „Bodega y Amigos“. 

Ursprünglich bezeichneten die Spanier jene Kellergewölbe als „Bodegas“, in denen sie Vorräte wie Schinken, Wurst, Käse, Oliven und vornehmlich Wein lagerten. Niedliche, liebevoll gemäuerte Räumlichkeiten, die gerade in brütend heißen Sommern schön kühl halten. „Speis und Trank“ in Griffweite, angenehme Temperaturen – da lag es nahe, sich zu geselligen Stunden gleich dort unten zusammenzuhocken, im Kreise der Familie, mit Freunden oder der Nachbarschaft, um zu essen, zu trinken und Klatsch und Tratsch auszutauschen. In diesem Rahmen dürfte auch die iberische Leibspeise – die sogenannten Tapas – entstanden sein: kleine, feine Häppchen aus den unterschiedlichsten Zutaten. Bald professionalisierte man diese Kombination aus Gewölbe und Kulinarik, sodass Bodegas heutzutage als schnucklige Gastronomien gelten, die mediterrane Gerichte und die entsprechenden Weine kredenzen. 

Karin Weichselbaumer und Otto Scheuregger

Köstliches Konzept

Das „Haschl“ in der Marktgemeinde Neubeuern beherbergte als Tavernwirtschaft schon im 14. Jahrhundert insbesondere die Schiffleut‘, die den Inn herauf- und herunterfuhren und gerne Rast machten da oben am Marktplatz, mit einzigartigem Blick ins Mangfallgebirge. Die Aussicht ist geblieben. Nur Name und Speisekarte haben sich im Vergleich zu früher stark gewandelt. Statt bayerischer Hausmannskost haben eben jene Tapas Einzug gehalten. Importiert haben das köstliche Konzept Karin Weichselbaumer und Otto Scheuregger, die vor gut zehn Jahren das Zepter in der Traditionsgaststätte in die Hände nahmen. Sie ursprünglich examinierte Krankenschwester, er Produzent auffälliger Mode, waren beide unabhängig voneinander auf Cran Canaria gelandet, wo sie Ende  der 1990er Jahre zunächst „jahrelang aneinander vorbeilebten“, wie die Restaurantleiterin mit munterem, schwäbischen Dialekt erzählt. (Wegen dieses Dialekts habe man es ihr zu Anfangs gar nicht so leicht gemacht als Gastronomin, hier, im tiefsten Bayern. Doch mithilfe des nach Mutters Rezept gefertigten Schweinsbraten habe sie schließlich das Eis brechen können, sagt sie schmunzelnd.)

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Aus Café wird eine Bodega Neubeuern

Die Idee, aus einem Café eine Bodega zu machen, ereilte das Paar ebenso unverhofft wie damals, auf der Insel, die Liebe. Wurden sie dort in einem Fitness-Studio von Amors Pfeil getroffen, trafen sie hier auf Passanten, die neugierig die Teller beäugten, auf denen sich – zu rein privaten Zwecken – ein paar Tapas anhäuften. Im Sommer vor vier Jahren war‘s, als die beiden vor ihrem Café saßen und sich am freien Tag ihr Abendessen schmecken ließen.  Man sitzt da ja urgemütlich, umringt von den historischen Gebäuden und mit Blick aufs Schloss. „Sieht fantastisch aus, was ihr da schnabuliert“, sollen die Passanten jedenfalls gesagt und im gleichen Atemzug enttäuscht festgestellt haben, dass nichts davon auf der Speisekarte zu finden war.  Klingeling, der Groschen fiel; und so zog kurz darauf nach den zwei „Ex-Exilanten“ eine wahrlich exquisite spanisch-kanarische Küche ins ehemalige Haschl‘s – fortan „Bodega y Amigos“ – ein.

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Von den berühmten „Papas arrugadas (gesalzene Kartoffelchen mit würzig-roter Mojo-Sauce) über „Gambas al ajillo“ (in Knoblauchöl gebrutzelte Gambas) bis hin zum „Jamon Serrano“ (zwölf Monate gereifter spanischer Schinken) fehlt kein Klassiker der guten alten Tapas-Schule. Das Wissen um Zutaten und adäquate Zubereitung hat sich Karin in den 15 Jahren Auslands-Aufenthalt ausführlichst angeeignet – und es Küchenchefin Camelia Tiritelnicu vollumfänglich vererbt. Die bringt selbst ein feines Händchen und viel Kreativität mit ein. Das Konzept sieht ausnahmslos frische, hochwertige Zutaten vor. Das fabelhafte Fleisch zum Beispiel, für die butterweichen Spareribs oder die sündhaft guten Steaks aus dem 900-Grad-Beefer, stammt aus Österreich und trägt das Gütesiegel 4xAT.  Freilich geht Neubeuerns Spanier auch mit der Zeit, soll heißen: Saisonale Highlights wie aktuell Tapas vom Wild werden nahtlos integriert. Apropos integriert: Was trägt denn Otto eigentlich zum spanisch-bayerischen Lebensgefühl bei? Nun, der kümmert sich kompetent und leidenschaftlich um jenen eingangs erwähnten, ursprünglichen Part einer Bodega: die ausgewählten Weine. Runde Sache also, diese wilde Mixtur im denkmalgeschützten Ambiente.