Von einem Münchener, der auszog, Europa mit nachhaltig produziertem Mezcal zu beglücken.
Über den Highway 95 sind es nur schlappe 500 Kilometer von Las Vegas runter nach Mexico. Auf dem amerikanischen Kontinent ein Katzensprung. Ein paar Meilen mehr hatte der Maschinenbauingenieur Nikša Pirović vor sich, als er vor rund sechs Jahren ins Flugzeug stieg, um in der wilden Wüstenstadt an einem Junggesellenabschied teilzunehmen – als einziger Deutscher inmitten einer Meute feierwütiger Mexikaner. Der Mezcal, das mythische Manna Mexikos, floss nicht nur in den sprichwörtlichen Strömen, ein Teilnehmer der Truppe entpuppte sich auch als wahrer Experte des „Azteken-Schnapses“.
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Mezcal, der große Bruder des Tequilas
Hierzulande findet das Getränk kaum Beachtung, in Mexiko jedoch gilt der Mezcal als großer Bruders des Tequilas und blickt auf eine lange, lange Tradition zurück. Pirović lauschte gebannt. Denn was der Mann erzählte, traf nicht nur einen Nerv des gebürtigen Müncheners: In Mexico hatte Pirović zuerst eine zeitlang studiert, später immer wieder geschäftlich zu tun gehabt und dabei viele Freundschaften geschlossen (daher die Einladung), das Interesse an der Herstellung von Spirituosen hatte ihm der kroatische Großvater vererbt, der in seinem Häuschen auf der Insel Korčula vorzüglichen Wein kelterte und den kleinen Nikša in die Geheimnisse der Kräuterkunde einweihte.
Doch zurück nach Vegas: Wie sich herausstellte, arbeitete jener Mezcal-Experte für einen Mann namens Bernardo Sada, ein mexikanischer Evolutionsbiologe, Initiator diverser Nachhaltigkeitsprojekte, Experte für mexikanische Ahnenbotanik und vorspanische Kulturen sowie – jetzt kommt‘s – Mitbegründer einer ganz besonderen Mezcal-Manufaktur: der „Noble Coyote“ aus dem Dorf San Luis Amatlán in Oaxaca, eine Gegend, die als Wiege des Mezcals gilt, weil die Agaven hier sprießen wie bei uns der Löwenzahn.
Noble Coyote Mezcal: Von der Agave in die Flasche
Ein guter Zeitpunkt, um sich den Mezcal ein wenig näher anzusehen: Gewonnen wird er aus den vergorenen und gekochten Herzen der Agavenpflanze. Während für den Tequila einzig die Blaue Weber-Agave genutzt wird, kommt für den Mezcal theoretisch jede der fast 200 bekannten Agaven-Arten in Frage (in der Praxis haben sich rund 30 Sorten als günstig erwiesen).
Diese Vielfalt des Rohstoffs führt auch zu einem deutlich breiteren Geschmackserlebnis als beim Tequila. Im Unterschied zu dessen Produktion werden die saftspendenden Agavenherzen für den Mezcal mit Holz und heißen Steinen geröstet – was ihnen zusätzliche Aromen verleiht. Was nun die noblen Koyoten so außergewöhnlich macht, ist einerseits der Einsatz auserlesener Agavensorten, andererseits deren voll auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kultivierung. Das von Bernardo Sada eingebrachte ökologische Wissen korrespondiert nicht zuletzt mit den altehrwürdigen, überlieferten Methoden eines Mannes, der als wahre Legende unter den Mezcal-Herstellern gilt.
Die Mezcal-Marke „Noble Coyote“ leistet Pionierarbeit
Don Marcos Brena war der fünfte Schnapsbrenner einer angesehen Mezcal-Dynastie, als er, schon über 80 Jahre alt, seinen Sohn Eleazar in die überlieferten Geheimnisse der Vorfahren einweihte. Jener Eleazar Brena wiederum ist eigentlich Agronom und Professor an der Mihuatlan-Universität in Oaxaca, wo er Agavenaufforstung und Ökologie lehrt. Und hier schließt sich der Kreis zu Bernardo Sada. Die beiden Wissenschaftler und der sonnengegerbte Greis rufen mit „Noble Coyote“ eine Mezcal-Marke ins Leben, die schnell von sich Reden macht, weil sie Pionierarbeit leistet.
Denn während die eigentliche Mezcalherstellung ganz im Geiste der Tradition abläuft, machen die Männer gleichzeitig Schluss mit Monokulturen, forsten wilde, fast ausgestorbene Arten wieder auf (die der alte Don Marcos, inzwischen als Hirte, auf seinen Streifzügen entdeckt), lassen den Pflanzen ausreichend Zeit, um zu reifen, ernten ausnahmslos per Hand – „und wenn es die Tradition verlangt, wird schon mal von weit her ein Schamane herangekarrt, der in einer aufwendigen Zeremonie die guten Geister beschwört“, erzählt Nikša Pirović schmunzelnd, um den es in dieser Geschichte ja eigentlich geht.
Auf Europa-Mission
Um sie etwas abzukürzen: Nach jenem Jungesellenabschied will der Münchener diesen hochgelobten Bernardo Sada unbedingt kennenlernen. Sie treffen sich im Restaurant „Tres Hermanas“ in Oaxaca, kosten Mezcal, fachsimpeln über Geschmacksnoten, sind sich auf Anhieb sympathisch und beschließen, gemeinsam das in Sachen Mezcal brachliegende Europa zu missionieren. Pirović gründet „Pacific and Lime“ und wird als neuer Partner von „Noble Coyote“ Generalimporteur für die genauso intensiv wie raffiniert schmeckenden Mezcal-Kreationen.
Sein Lager hat der inzwischen nach Traunstein gezogene Mezcal-Missionar inzwischen in Rosenheim „aufgeschlagen“. Von hier aus soll „sein“ Mezcal erst bayerische, dann am besten Bars in ganz Europa bereichern, oder aufgeschlossene Gaumen privat entzücken. „Ein gescheiter Mezcal“, sagt Pirović, „muss sich hinter keinem Single Malt verstecken!“. Dementsprechend genießen feinsinnige Mexikaner den Mezcal auch pur, so kommt der rauchige Geschmack gut zur Geltung. Wobei – wovor wir Europäer immer noch zurückschrecken, gehört in Mexico zu einem beliebten Begleit-Snack des Mezcal: ein Orangenschnitzen mit gerösteten Heuschrecken. Vielleicht ist daraus auch jener nur für Marketingzwecke ersonnene Gag mit dem Wurm in der Flasche entstanden. Finger weg, warnt Pirović.
Auf zum Aromen erschnuppern
Dann doch besser den Mezcal Artesanal Noble Coyote Espadín Tobalá verkosten. Gehaltvoll kommt der aus der Flasche, ist farblos und von cremiger Konsistenz. Ein würziger Duft betört die Nase, der an gekochte Agave und frischen Pfeffer erinnert. Aficionados würden wohl auch Aromen wie von der Williams Birne erschnuppern, von weißen Pfirsichen und gebackenem Blätterteig. Auf der Zunge entfalten sich dann Aromen von Jalapeños und Kakao, die sich im Nachklang zu Eukalyptus und Ingwer verwandeln. Die hauchzarte Säure hält sich dezent im Hintergrund – und trotz der fast 45 Prozent brennt der Rachen nicht. Salud!