„Bis später“, so die Übersetzung des spanischen „hasta luego“. Für die Asta-Kneipe Rosenheim könnte später allerdings zu spät sein. Denn die finanzielle Situation der kreativen Kneipe ist schlecht. Zum 50. Geburtstag gibts daher im Sommer ein dreitätiges Geburtstags-Festival mit hochkarätigen Acts.

Zehn Minuten. So lange sollte es laut dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoi-ber mit dem inzwischen lange abgeschriebenen Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen dauern. Und genau diese zehn Minuten dauerte es, bis die ersten Gäste nach der mehr als kurzfristigen Ankündigung (drei Stunden vor Einlass) vor der Tür der AStA-Kneipe standen,als die Indie-Lokalmatadoren „Kaffkiez“ im Dezember 2024 dort auf ein Überraschungskonzert vorbeischauten: Zehn Minuten vom Post auf instagram bis zum vollen Haus in der Rosenheimer Hubertusstraße. 

Spielten ihr erstes ausverkauftes Konzert in der Asta-Kneipe: Die Spportfreunde Stiller
Fotos: Sebastian Madej

Die „Asta“, wie sie kurz genannt wird, wird 50 – und es geht ihr schlecht. Michael „Mick“ Gaiser,  seit 37 Jahren Mitglied im AStA-Verein, zweimaliger Geschäftsführer und ein mal wöchentlich Master of AStA-Quiz, muss zugeben: „So schlimm wie jetzt wars noch nie.“

„Die Konzerte“, sagen der Geschäftsführer Laurin Adaya Lieb und die Geschäftsführerin Organisation Sabrina Von Koss, „decken unsere Kosten nicht.“ Schon gar nicht, wenn (wie bei Kaffkiez der Fall) der Eintritt kostenlos ist. Was die Kosten deckt? Bier trinken, damit die Mindestabnahmemenge die durstigen Kehlen hinabfließt.

Der Bierkonsum der Deutschen allerdings ist seit Jahren rückläufig. Von 2004 bis 2023 verringerte sich der Verzehr von Bier von 116 Liter pro Jahr und Kopf auf 88 Liter – das sind rund 32 Prozent weniger. (Quelle: Deutscher Brauer-Bund e.V.) Rund 32 Prozent aus dem Ausschank, die der Asta am Ende des Monats fehlen. Doch nicht nur der gesunkene Bierkonsum ist Ursache dafür, dass es der Kneipenlandschaft im Allgemeinen schlecht geht. Auch problematisch: die wieder auf 19 Prozent gestiegene Mehrwertsteuer, die Inflation und gestiegene Energie-, Miet- und Personalkosten. Immerhin,  die Miete beziehungsweise die Pacht ist bei der Asta-Kneipe kein Problem – die bleibt glücklicherweise immer konstant.

Die Astakneipe 1983.
Fotos: Stadtarchiv Rosenheim

Seit 1975 gibt es die Asta in dem berühmten Rosenheimer Eckhaus mit der hübschen Jugendstilfassade, das rund 70 Jahre davor schon die beliebte Eisenbahner-Gaststätte „Bayerischer Löwe“ beherbergt hatte. Eigentümerin des 1903 gebauten Gebäudekomplexes, in dem sich auch Wohnungen befinden, ist die Flötzinger Brauerei. Und die ist einerseits einziger Gläubiger der Kneipe, andererseits ihr größter Unterstützer. „Käme uns die Brauerei nicht so großzügig entgegen, wäre die Asta längst zu.“ Erschreckende Töne, die das Geschäftsführer:innen-Duo da anschlägt.

Asta: aus der Uni in die Kneipe

Dabei ist die Asta-Kneipe nicht nur ein Ort für Studierende, auch wenn es der Name vermuten lässt: AStA steht für Allgemeiner Studierenden-Ausschuss. In Rosenheim gab es ebenfalls so einen Ausschuss, der 1973  gemäß dem bayerischen Hochschulgesetz als allgemeinstudentische Vertretung abgeschafft wurde. Die Studierenden (unter ihnen der heutige Präsident der TH Rosenheim, Professor Heinrich Köster) nahmen das Heft in die Hand und gründeten den Verein, dessen „Vereinsheim“ sozusagen das alte Gasthaus an der Straßenecke wurde. Aus dem Zuhause des Vereins, in dem sich Anfangs nur dessen Mitglieder getroffen haben, wurde eine Musikkneipe. Zwar betrieben von, aber wirtschaftlich unabhängig vom Verein. Der Vereinsvorstand, bestehend aus zwei Geschäftsführer:innen der Kneipe, einer Geschäftsführung Organisation (zuständig für Veranstaltungen in der Kneipe), einem Revisor-Posten (hat ein Auge auf die Finanzen)  und einem Vorstand des Vereins an sich (organisiert vereinsinterne Dinge wie beispielsweise Weihnachtsfeiern oder Versammlungen), kümmert sich mittlerweile um ungefähr 90 Mitglieder. Da blitzt natürlich eine Frage auf: Können die Mitgliedsbeiträge nicht der Kneipe helfen? Leider nein. Die Beiträge finanzieren alleine den Verein, nicht die Kneipe. Die Kassen bleiben getrennt.

Ein Zeitungsartikel aus den Anfängen des Asta-Vereins.
Fotos: Stadtarchiv Rosenheim

Die Asta ist jedenfalls viel mehr als „nur“ eine Musikkneipe. Sie ist Konzert-Institution. Hier spielten die Sportfreunde Stiller ihr erstes ausverkauftes Konzert. Die Sterne waren schon da, bevor ganz Deutschland sie kannte; und natürlich darf man Kaffkiez nicht vergessen, die Rosenheimer Jungs, die mittlerweile Stars sind. Die bespielten die Asta auch, als sich noch niemand drei Stunden für sie anstellte, um einen Platz zu ergattern. Die Asta ist eine von wenigen kulturellen Stätten in der Innstadt, wo lokalen Nachwuchskünstler:innen eine Bühne im Wortsinne gegeben wird – sie gehört zum kulturellen Erbe Rosenheims, kann man sagen.

Alleine im Jahr 2023 veranstaltete die Asta-Kneipe 54 Konzerte, 2024 wahrscheinlich noch mehr. Viele der Konzerte fanden gemeinsam mit dem Plattenladen „Bebop“ statt, der kürzlich als einer der besten Plattenläden Deutschlands von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth,  ausgezeichnet wurde. Im Rahmen des Besuchs der Staatsministerin Anfang Februar 2025 fand in der Asta Kneipe eine Podiumsdiskussion statt, zu der alle Kulturschaffenden der Region eingeladen waren. Leider hilft so ein Abend der Asta finanziell kaum weiter. Ebenfalls kvor allem ulturell wertvoll: jeden zweiten Montag betreibt die Ro-Town Comedy Zwerchfellmassage. Wer Glück hat, erlebt nicht nur lokale Newcomer:innen. Mitunter „verirren“ sich auch etablierte Komiker:innen in die Asta und unterziehen das Publikum einem Try-Out – testen also ein neues Programm. 

Geraten und getrunken wird jeden Donnerstagabend. Für viele Rosenheimer:innen ist der Donnerstagabend in der Asta ein Pflichttermin, denn dann schallt die Bingo-Glocke durch die Räumlichkeiten. Zu jedem Getränk gibts eine Bingokarte und die Erkenntnis, dass Bingo allen Altersklassen richtig viel Spaß machen kann. Eine Erkenntnis, die auch Mick überraschte, der sich anfangs (mit einigen anderen Vereinsmitgliedern) noch stark gegen das Bingo wehrte. „Die Leute sollen lieber Bier trinken“, moserte der Verein. Beim zweiten Versuch, Bingo zu etablieren, seien sie zwar immer noch dagegen gewesen, gibt Mick zu, aber sie ertrugen es schweigend, nach dem Motto: „Sollen sie mal sehen, was sie davon haben“. Nun, das Bingo lief gut. So gut, dass es seit Jahren als Publikumsmagnet gilt, als legendär, selbst unter Nicht-Astanianer:innen. Gleiches gilt für das Quiz, das mittwochs die Kneipe füllt (wenn auch nicht unbedingt die Kasse). 

Mick Gaiser, der Quizmaster
Fotos: Asta Kneipe

Mick leitet es quasi unentgeltlich, bis auf eine kleine Ehrenamtspauschale. Der 64-Jährige bereitet jede Woche rund zwei Stunden lang Fragen vor, die denjenigen, die regelmäßig teilnehmen, ein müdes Lächeln entlocken, Neueinsteiger:innen jedoch den Panikschweiß auf die Stirn treiben können. „Wenn man das öfter macht, wirds besser“, sagt Sabrina von Koss schmunzelnd. Die 28-Jährige organisiert die Veranstaltungen in der Kneipe. Darunter auch Techno-Nights und Single-Partys. Das mag zwar nicht zur Hochkultur gehören, aber da es bei den Gästen ankomme, müsse man sowas machen. Denn die Partys bringen Umsatz. Die Eintritte sind oft mit einer Preisspanne angegeben: Zwischen 8 und 13 Euro, zum Beispiel. Acht Euro wären damit das Minimum, wer mehr geben kann, unterstützt die Asta. 

Zumindest bei den Feierwütigen der Stadt kommen die Partys gut an, bei den Nachbar:innen der Asta manchmal weniger. Immer wieder gibt es Knatsch, immer wieder steht die Polizei vor der Tür. Man habe schon viel versucht, erzählen Laurin und Sabrina. Zettel an die Nachbarschaft verteilt mit einem Überblick über anstehende Veranstaltungen, damit Anwohner:innen sich vorbereiten könnten. Es gab eine Telefonnummer, die man anrufen konnte, wenn es zu laut war – auch das sei nicht angenommen worden. Also bleibts bei der Polizei, mehrmals im Monat. Klar, sie versuchen die Lautstärke herunterzuschrauben – aber eine Technoparty ohne wummernde Bässe, die den Tanzenden in die Beine fahren? Auch schwierig. (Weniger schwierig, theoretisch: sich vor einem Einzug über oder neben einer Musik-Kneipe darüber Gedanken zu machen, ob man das aushält.). Der Biergarten schließt im Sommer eh ordnungsgemäß um 23 Uhr. 

Laurins Job als Geschäftsführer, den er seit April 2024 inne hat, ist der einzige in der Vorstandschaft, der voll bezahlt wird. Man verdient aber keine Reichtümer, es ist schon auch eine ideelle Angelegenheit. Laurin ist 20. Natürlich hat er da noch nicht so viele finanzielle Verpflichtungen, die bedient werden wollen – Gott sei Dank. Sonst könnte er den Job wohl so nicht machen. Mit 20 ist der Idealismus noch groß, der Wille, die Welt zu verändern und Gutes zu tun stark. Davon zeugt auch sein Berufswunsch für die Zeit nach der Asta-Geschäftsführung: Notfallsanitäter. 

Ein Konzertposter aus 1987.
Fotos: Stadtarchiv Rosenheim

Seine größte Herausforderung als Geschäftsführer? Plötzlich über den anderen zu stehen und mit dem Umsatz im Hinterkopf deren Leistung „bewerten“ zu müssen, sagt er. Übrigens: Wer sich darüber wundert, dass ein 20-Jähriger Geschäftsführer einer Kneipe sein kann, während andere dafür eine jahrelange Ausbildung oder sogar ein Studium absolvieren, hat den Geist der Asta-Kneipe nicht ganz erfasst. Eine neue Geschäftsleitung ist nie alleine wird nicht einfach ins kalte Wasser geworfen. Die alten Hasen stehen immer parat. Und: „Die Asta lebt davon, dass alle sich einbringen“, sagen Sabrina und Laurin. Mick stimmt zu: „Jede Zeit hat ihre Phasen.“  Die Asta ist organisch gewachsen, wieder geschrumpft und entwickelt sich ständig weiter. Und das dürfe nie vorbei sein! Wenn die Asta-Kneipe stirbt, stirbt ein großer Teil der Rosenheimer Kultur mit ihr. Ein Ort für Nachwuchsförderung, Lesungen, Konzerte, Gespräche – aber eben auch für Bingo und Quiz.  

Wie sieht konkrete Hilfe für die Asta aus? Was kann man tun, wenn man der Meinung ist, die Kneipe gehört unbedingt in die Kulturlandschaft Rosenheims? „Reinkommen und konsumieren, mal nach einem Konzert noch etwas länger bleiben und noch zwei, drei Getränke mehr trinken. Oder eben spenden“, sagen Sabrina, Mick und Laurin. Spenden gehen zwar an den Verein, landen aber im sogenannten „ideellen Topf“, aus dem die Kneipe finanziert werden kann. Es können Spendenquittungen ausgestellt werden, zusätzlich steht in der Asta-Kneipe eine Kasse, in die Spenden geworfen werfen können. „Externe“ können die Location zudem für Veranstaltungen nutzen (im Sinne von mieten), zum Beispiel für Konzerte, Lesungen oder ähnliches. Die Asta ist vielseitig. 

Apropos vielseitig: Zum 50. Jubiläum finden ab sofort in regelmäßigen Abständen Mottopartys statt, inspiriert von den vergangenen Jahrzehnten: am 29. März sinds die 80er, am 3. Mai die 90er und so weiter. Mehr Infos zu den Mottopartys gibt es auf Instagram zu sehen. Und alles gipfelt in einem dreitägigen Geburtstag, der jedem 50er gut zu Gesicht stünde: Drei Tage mit zahlreichen Bands auf dem Parkplatz der TH Rosenheim. Das Line-Up wird spektakulär und es ist für alle was dabei: Von der Deutsch-Rapperin und Schauspielerin Nura („Die Discounter“) über Die Sterne (zurück auf Anfang, sozusagen) bis hin zu Austropopper Voodoo Jürgens ist wirklich für jede:n was dabei. Das ganze Programm sowie Tickets gibts unter www.astalive.de und auf instagram.