Ursprung und Essenz echter, bayerischer Trachtengewänder kommt man wohl nirgends näher als in Neubeuern. In seinem Laden „Tracht und Sach“ verkauft der Inhaber handwerkliche und historische Schätze sowie „göttliches“ Gewand aus der Gegenwart.
Als „Perle des Inntals“ bezeichnen nicht nur die Hiesigen ihren pittoresken Markt Neubeuern. Südlich von Rosenheim gelegen, thront das schon von fern sichtbare Schloss über dem malerischen Marktplatz, der – umringt von den beiden historischen Toren und den prächtigen, mit Lüftlmalereien ver-zierten Gebäuden – einen fast kitschig schönen Ortskern bildet. Hier, in dieser Viertausend-Seelen-Gemeinde, lebt es noch, das alte Bilderbuch-Bayern, wie man es sich auf der ganzen Welt vorstellt. Und in dieser Vorstellung darf eins natürlich nicht fehlen: die bayerische Tracht.
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Beide Trachtenvereine, der Volkstrachten-Erhaltungsverein „Edelweiß” Neubeuern sowie der „Gebirgstrachten-Erhaltungsverein „Immergrün“ Altenbeuern, zählen zusammen rund 1.000 Mitglieder. Beweis genug für die Lebendigkeit des Neubeurer Brauchtums.
Tracht ist modische Vielfalt
Die Trachtler*innen zeigen aber auch, dass es „das eine“ bayerische Trachtengewand gar nicht gibt. Landein, landaus herrscht bei aller oberflächlichen Uniformität in Wirklichkeit eine gewaltige „modische“ Vielfalt. Eine Vielfalt, über die ein gewisser Gilbert Mühlhofer – besser bekannt als Gillei – bestens Bescheid weiß. „Tracht und Sach“ heißt sein Laden, in dem sich Trachtler*innen aus Neu-beuern, Bayern, ja im Grunde aus der ganzen Welt eindecken, wenn sie das Besondere suchen, das Authentische, Originalität und Qualität.
Alles begann mit einer uralten Lederhosn, die ihm ein Spezl besorgt hat. Gut erinnert sich Gillei daran, wie er die Blicke auf sich zog in dem Prachtstück, auf dem Rosenheimer Herbstfest und auf der Münchner Wiesn. Logisch, dass der gesamte männliche Freundeskreis auch so ein bäriges Beinkleid besitzen wollte. Also hat der Gillei sich noch tiefer in die Materie hineingefuchst, hat quasi Lederhosen-Archäologie betrieben und zwischenzeitlich über 1.000 alte, handgemachte Hirschlederne zusammengetragen, die er zunächst bei sich Zuhause hortete und nur an würdige Interessenten verkaufte. Bald kamen historische Ranzen hinzu, und spätestens als der Bayerische Rundfunk an ihn herantrat, um sich zum Beispiel für den Komödienstadl und Heimatfilme möglichst fesche, originalgetreue Stücke auszuleihen, musste sich der damalige Laborleiter und Produkt-Entwickler eingestehen, dass er seine Leidenschaft wohl besser zum Beruf machen sollte.
Also tauschte er Laborkittel gegen Tracht, Büro gegen Laden, und verkauft nun seit über zehn Jahren direkt am Neubeurer Marktplatz Trachten, Trachtenschmuck und Trachtenzubehör.
Wahre Schätze bei Tracht und Sach
Das Geschäft gleicht einem Museum. Ein Besuch (der durchaus bei einer Brotzeit enden kann, hinten, am Holztisch, wo Gillei in ruhigen Minuten Hosenträger mit Hirschhornrosen bestückt oder silberne Wappen fertigt) gleicht einer Zeitreise oder einer unterhaltsamen Unterrichtsstunde über die Geschichte und das Wesen bayerischen Brauchtums. Denn was Gillei da teilweise in den Regalen und Schubladen liegen hat, sind wahre Schätze. Raritäten, die tatsächlich regelmäßig von Ausstellungen ausgeliehen werden. 300 Jahre alte, federkielbestickte Ranzen etwa; alte, wieder auf Hochglanz polierte Kropfketten und Hutnadeln, die bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen. Echte Gamsbärte; „lauter oids Graffe“ sagt Gillei augenzwinkernd, weil wohl wissend, dass man solche Unikate heute nur mehr selten in die Finger bekommt.
Freilich, dem Zeitgeist steht Gillei schon auch aufgeschlossen gegenüber. Mit seinem Spezl Jörg Hittenkofer, dem Gründer des trendigen Trachtenlabels Gottseidank, fachsimpelt er liebend gern darüber, wie man traditionelle Werte, Formen und Schnitte in zeitgemäße Trachtenkleidung verwandeln kann. Ausgewählte Stücke der Marke hat Gillei vorrätig. Den größten Teil des Ladens nehmen aber die Raritäten sowie die handgefertigten Gewänder mitsamt Zubehör ein. Da gibts diese aufregenden Hüte vom eigenen Hut-macher – als „a bisserl an gfegad‘n Wirthaushuad“ beschreibt der Erfi nder die neu aufgesetzte, uralte Hutform. Ein alter Schuhmacher fertigt passge-naue Trachten- oder Plattlerschuhe.
Strickerinnen sitzen ständig daran, Trachtenstrümpfe oder Loferl nach alten Vorlagen zu fertigen. Ein Säckler bestickt die Hosen von Hand. Selbst ein Messermacher gehört zu den Lieferanten. Das alles aufzuzäh-len, würde aber letztlich länger dauern, als selbst nach Neubeuern zu fahren, um sich vom Gillei persönlich über das alte Wittelsbacherwappen als Vorgänger des bayerischen aufklären zu lassen. Mit Glück gibts eine Brotzeit dazu. Und wer Trachten liebt, zieht garantiert glücklich, schlauer – und natürlich fesch eingekleidet wieder von dannen.