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Der Gugg-Hof bei Brannenburg zu Füßen des Wendelsteins gilt als eines der ältesten erhaltenen Bauernhäuser Oberbayerns. Ein Architekten-Ehepaar hat sich an die Restaurierung gewagt – mit streng denkmalpflegerischem Ansatz.

„So ein Haus“, sagt Daniel Hoheneder, „erzählt viel über die Vergangenheit.“ Wie haben sich die Wohn- und Lebensverhältnisse bayerischer Bergbauern über die Jahrhunderte verändert? Welche Mühsal muss es gewesen sein, mit einfachsten Mitteln ein autarkes Leben zu führen da oben? Mit welchem Geschick, mit wie viel Gespür für die Gaben, aber auch Herausforderungen von Mutter Natur richteten es sich die Menschen ein, so gut es eben ging? Und was kann das für unser heutiges Leben bedeuten? Welchen baulichen Schnickschnack, welchen Luxus, welche Technik brauchen wir wirklich? Muss es in jedem Raum eine smarte Lüftung geben? Tun es nicht ein paar Lichtschalter weniger, auch ohne Dimmfunktion? Wie wird geheizt?

Gugg-Hof: Von der Bauruine zum aufpolierten Schatz

Als Architekt beschäftigen Daniel Hoheneder solche Fragen naturgemäß immer wieder. Als Bewohner des altehrwürdigen, oberhalb von Brannenburg im Landkreis Rosenheim gelegenen Gugghofes haben sie allerdings ganz konkrete Konsequenzen für seinen sowie den Alltag von Partnerin Lisbeth. Denn als sich die beiden während einer ihrer „Häuserfahrten“ in das geschichtsträchtige Gebäude mit seinem atemberaubenden Ausblick (daher Gugg) verliebten, glich es eher einer Bauruine als einem behaglichen Heim. Doch die geschulten Augen des Architekt*innenpaares erkannten, das hinter all dem auf den Flächen haftenden Staub und Schmutz, unter dem in etlichen Kammern angehäuften Geröll, zwischen den Rissen und Löchern in Mauerwerk und Blockbauobergeschoss ein Schatz lag, den man „nur“ wieder aufpolieren müsste.

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Denkmalgerecht saniert

Der Anfang eines siebenjährigen Restaurationsprojektes, an dessen (vorläufigem) Ende das Paar schon die erste Auszeichnung für die genauso verantwortungsvolle wie behutsame Instandsetzung erhalten haben. „Wir haben das auch sehr extrem betrieben“, erzählt Lisbeth. Was sie damit meint ist: Sie haben mithilfe eines Bad Endorfer Restaurators konsequent denkmalgerecht saniert. Wichtig sei ihnen gewesen, zwar alles wieder herzurichten, aber nicht einfach alles neu zu machen. Es sollte authentisch bleiben, Altes als alt, Neues als neu zu identifizieren sein.

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Die beiden Architekt*innen Lisbeth Fischbacher und Daniel Hoheneder arbeiten in den Bereichen Architektur, Bauforschung und Denkmalpflege. Das Wissen konnten sie nun am eigenen Heim anwenden.
Fotos: Thomas Wittwer, Studio OACHA

Vor allem sollten die Oberflächen ihre Patina behalten, damit diese die Jahrhunderte alte Geschichte jenes Bauernhauses erzählen möge, das kürzlich noch als ältester, erhaltener Hof im südbayerischen Raum galt – bis Daniel höchstselbst an der Entdeckung eines sechs Jahre älteren Gebäudes beteiligt war. In Au bei Bad Feilnbach ist er darauf gestoßen, doch als Kreisheimatpfleger mit Fokus auf Baudenkmäler nimmt er den Verlust des Rekords natürlich sportlich.

Die Geschichte des Dientzenhofer-Stammhofs

Zurück nach St. Margarethen: Welche Geschichte erzählt er denn nun, der auf 1542 datierte, sogenannte Dientzenhofer-Stammhof? (Dessen erste urkundliche Erwähnung sogar ins Jahr 1390 zurückreicht!) Wie die volksmündliche Beschreibung verrät, hätten keine passenderen Bewohnerinnen den Weg die Südostflanke des Wendelsteins hinauf finden können, als just zwei Architektinnen. Denn jene Dientzenhofers, allen voran „Urahn“ Georg, machten sich Ende des 17. Jahrhunderts als barocke Baumeister einen Namen und prägten von Prag aus die Baulandschaft Böhmens und Frankens.

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Doch weder der Ruhm noch der Fortgang der Familie änderten viel am Leben am Gugghof. Was Lisbeth und Daniel bei ihren – parallel zur Restaurierung betriebenen – akribischen, geradezu archäologischen Forschungen herausfanden, zeugt von einem durchwegs einfachen bäuerlichen Leben: In der früheren Speis‘ etwa (heute die schmale Küche) stand ein gemauerter Brennofen für Schnaps; gefundene Stoffreste lassen darauf schließen, dass die Vorgänger ihr Leinen selbst herstellten; Zentimeter dicke, unterschiedlich farbige Kalkschichten zeigen, ab wann bestimmte Farbpigmente auch für das einfache Volk erschwinglich wurden…

Kein Firlefanz im Gugg-Hof

An dem Haus zu arbeiten habe sich angefühlt, wie eine Zeitkapsel zu öffnen, sagen die beiden Bauforscher*innen. Und diese Zeitkapsel offenbarte zum Beispiel, dass in der Nordkammer – dem dereinst dunkelsten und feuchtesten Raum – wohl mal ein Webstuhl stand, während zu anderen Zeiten Kleinvieh darin gehaust haben muss. Hoheneders haben hier ihr Badezimmer errichtet, mit freistehender Wanne, Fußbodenheizung und rein weißen Sanitärobjekten als Kontrast zum bewusst urspünglich und unbehandelt belassenen Mauerwerk. Wobei unbehandelt nicht ganz stimmt: Aus Sicherheitsgründen galt es, einige tiefe Risse zu füllen. Einer, erzählt Lisbeth schmunzelnd, habe satte 70 Liter Verpressmörtel verschlungen! Und ihre im Winter wohlig erwärmten Füße dürfen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gebürtige Bad Aiblingerin und der ehemalige Traunsteiner es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit, dem Verzicht und dem Versuch, dem alten Gebäude möglichst wenig modernen Firlefanz aufzubürden.

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Hineinspaziert in die Küche im Erdgeschoss sticht ein Ofen ins Auge. Früher habe in der Ecke ein Kessel über einem offenen Feuer gehangen, wovon ein freigelegter, rußgeschwärzter Balken zeugt. Und auch heute dient der Ofen als Heizung, nur ist er nun wassergeführt und bedient zusammen mit der Solaranlage einen Pufferspeicher. Außerdem, sagt Lisbeth, könne man ihn zum Brotbacken schüren. Dieses eher spartanische Heizverhalten führe dazu, dass man vor allem im Winter die unterschiedlichen Klimazonen so eines Hauses spürt. Küche und Stube seien warm, die restlichen Zimmer deutlich kühler. „Deswegen besitzen wir ein ganzes Konvolut am Wärmflaschen“, sagt Lisbeth lachend. Und Daniel ergänzt: „Wir leben mit dem Jahr. So, wie sich Licht und Temperatur verändern, verändern wir unser Verhalten. Im Winter bleiben die Türen zu, wir wandern von kalt zu warm und von warm zu kalt. Im Sommer steht alles offen.“ (Gern auch die barocken Fenster, die mithilfe eines Schreiners aus Rohrdorf restauriert und lediglich durch Winterfenster ertüchtigt wurden.)

Betten sind über 300 Jahre alt

Ein Blick ins Schlafzimmer. Ins Gebälk über dem Türrahmen hat jemand die Jahreszahl 1651 eingeritzt. Die Frischvermählten schlafen in zwei von unzähligen, in nahezu jeder Kammer zurückgelassenen Fichtenbetten, die seit Urzeiten nur von einfachen Holznägeln zusammengehalten werden und sich doch als unverwüstlich erweisen. Etliche Inschriften und übereinanderliegende Malereien geben Zeugnis ab von Hochzeiten und Todesfällen und lassen ahnen, dass die Schlafstätten mindestens 300 Jahre auf dem Buckel haben.

Das klingt alles romantisch, doch sieben Jahre Sanierung bedeuten auch eine elendige Plackerei. Es habe durchaus Momente gegeben, da verfluchten sie das ganze Unterfangen. Lisbeth erinnert sich mit Schaudern daran, wie sie unter dem abgetragenen, maroden Holzboden im Gang auf ein zugeschüttetes Kellergewölbe stießen. Zertrümmert sei das Gewölbe gewesen und der Raum bis oben hin mit Schutt und unbrauchbarem Zeug aufgefüllt. Blöderweise spitzte ganz oben eine bezaubernde, grün glasierte tönerne Öllampe hervor. Lisbeths Entdeckergeist war geweckt. Wer weiß, welche Jahrhunderte alten Schätze man da unten zutage fördern würde? Also gruben und gruben sie, schafften weit über 100 Schubkarren voller Geröll aus dem Haus – und fanden: nichts.

Fundstücke aus dem Gugg-Hof werden clever recycled

Zum Glück konnten solche Rückschläge die Motivation nur kurzzeitig dämpfen. Denn andere Fundstücke, vor allem auch aus dem Zuhaus, ließen die Archäologenherzen wiederum höher schlagen. Und ergaben einen bunten Reigen clever recycelter Möbel. Den neuen Kachelofen krönen alte Kacheln, die Ofenbank besteht zur Hälfte aus Originalteilen von früher. Inzwischen können Lisbeth und Daniel stolz und in Ruhe draußen auf der Hausbank sitzen. Während Hündin Muhmi über die Wiese streift und der Brunnen sanft plätschert, schmieden die zwei Architekt*innen schon neue Pläne. Aus dem Hof von Lisbeths Eltern, drüben in Derndorf, könnte man doch auch was machen…

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