Eine Kripperlgschicht aus einer etwas anderen Perspektive: Bühne frei für Ochs und Esel in „Auf Wiederkaun“. Geschrieben, gelesen und illustriert von Wast Huber, musikalisch veredelt durch die Kapelle So&So. Sehens-, lesens- und hörenswert auch nach der Weihnachtszeit.
Gottseidank hat der Freilassinger Tubist Stefan Huber von der Kapelle So&So den Breitbrunner Grafiker, Illustrator, Autor und Schauspieler Sebastian Huber mal aus einer Laune heraus gefragt, ob er da vielleicht was hätte. Etwas, das man gemeinsam kreativ wachsen und entstehen lassen könnte. Was Schönes zusammen zaubern. Warum nicht eine ganz besondere Nacht? Ein weihnachtlich-boarisches Gesamtkunstwerk? Der multitalentierte Wast Huber hatte tatsächlich etwas. Quasi schon in der Schublade. Ein kleines Theaterstückl, nur Dialoge, ohne irgendwas drumrum, bereits einstudiert von den Rimstinger Grundschülern, mit Kinderblaskapelle dazwischen. Die Uraufführung habe den „Himmegugga“-Darsteller und fünffachen Vater damals umgehauen, sagt er. Und so gings los: Geschichte, Buch, dazu Kopfkino. Und natürlich Musik.
Illustrationen und Liedtexte, die auf die Bühne führen
Das Stückl wuchs, fand den Titel „Auf Wiederkaun“, Huber schrieb Liedtexte dazu, skizzierte Illustrationen, deren Szenen er sich parallel auch live auf der Bühne vorstellen konnte. Dann kamen Stefan Huber und seine Kapelle So&So und komponierten diese Mordsmusik samt Liedervertonung dazu. Und da hätte es ihn beinah nochmal umgehauen.
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Die sechs ebenfalls hochtalentierten Burschen aus dem Rupertiwinkel, dem Pinzgau und dem Inntal kennen sich und den jeweiligen Sound der Kollegen schon etliche Jahre aus anderen Projekten. Sie „spüren“ quasi, welche Phrasierung der andere gleich wählen wird, fügen sich in den Gesamtklang der Kapelle ein und lassen so in einem sehr lebendigen künstlerischen Miteinander ihren ganz individuellen Sound entstehen. Wahrscheinlich war genaudeshalb schon die erste Wirtshaustour im Herbst 2017 ein voller Erfolg.
Viele Genres, schönes Handwerk
Ähnlich arbeitet auch der 69-jährige Huber am liebsten: „Gescheit anschauen, zuhören und erleben.“ Er mag es außerdem, wenn die Projekte zu ihm kommen, sich dann im Entstehungs- prozess aus einem kreativen Fundus holen, was sie brauchen und beim Schreiben oder Pinseln etwas entsteht: „Ich erzähl‘ mir was und schau, dass ich mit dem Aufschreiben nachkomme. Die Bilder dazu sind meist mit dabei“. So beschreibt Huber sein, wie er selbst meint, „schönes Handwerk“.
Wahrlich ein so buntes wie lebendiges Handwerk, das so viele Genres vereint: das Geschichten Schreiben und Worte Finden, das Malen und Illustrieren, also Bilder dazu in Kopf und Bauch finden, dann aufs Papier bringen. Und ihnen dann auch noch echtes Leben auf der Bühne einhauchen, durchwirkt von Klang und Musik. Mehr Kunst geht ja kaum. Und das alles vor einem Chiemgaueri schen Hintergrund, dessen kreatives Timbre da sicherlich mithinein tönt, mit all seiner Weite, seiner beeindruckendenNatur und dem „Bayerischen Meer“.
Bücher für Kinder und Familien
Nach einer ähnlichen Struktur war 2004 auch sein erstes Buch entstanden: „Der VinziStier“, oder: Vinzi und Bertl auf der Hochalm. Ein inzwischen sehr erfolgreiches Kinder- und Familienbuch, dessen Geschichte der seit 2011 beim Theaterzelt Riedering engagierte Darsteller als „Vinzi“ in Grundschulen selbst erzählen kann. In einer Art Freestyle-Lesung mit Bildprojektionen aus seinen Pinseln, „Ziachmusi und wo‘s es braucht, samt Gsangl“. Und auch hier ein (S)Tier im Mittelpunkt.
Endlich schenkt jemand also auch den vierbeinigen Protagonisten der Weihnachtsgeschichte die nötige Aufmerk- samkeit. Ochs und Esel, der gutmütige Wiederkäuer und sein weiser Freund mit den steifen Ohren, erzählen in „Auf Wiederkaun“ ihre Sicht auf die biblischen Geschehnisse samt dem ganzen Trubel in Bethlehem, in dem ihr bescheidener Stall plötzlich zum Kreissaal umfunktioniert wurde. Der Humor, den Wast Huber ihnen mitgegeben hat, lässt einen beim Zuhören immer wieder schmunzeln oder auch mal hell auflachen.
Ochs und Esel sind ein Team
Für Wast Huber ist es sehr naheliegend, die Geschichte aus der Ochs und Esel-Warte zu erzählen. Der Heiligkeit, glaubt er, nimmt das nichts. Im Gegenteil: Das Einfache, die Not der Bettenlosen, das so Menschliche und eben auch das Tierische seien doch zentrale Motive dieser Erzählung. Da kommt er ins Philosophieren: Wiederkaun. Immer wieder. Durch vier Mägen eines Stieres hindurch. Also Gras oder Heu hinunterschlucken in den Pansen, dieser kommuniziert mit dem Netzmagen hin und her, das Angedaute wird in einer konzertierten Aktion häppchenweise wieder empor gerülpst und wiederge käut. Lange. Dann geht die Reise wieder hinunter in den Netzmagen und von da weiter in den Blättermagen und dann in den Labmagen. Und alles wieder von vorn. Ein langer Prozess.
Der Ochs braucht also viel Zeit – und Gelassenheit. Ganz anders der manchmal bissl nervöse Esel, bei dem das Heu halt auch schneller durchflutscht. Aber gerade die so unterschiedlichen Charaktere machen die beiden eben auch zum Team. Ochs und Esel spielen – zumindest aus ihrer bescheidenen Sicht im Stall – eine nicht wegzudenkende Rolle in der Weihnachtsgeschichte. Ja, erst ihr Tun ermöglichte den reibungslosen Ablauf von Christi Geburt.
So&So macht Charaktere hörbar
Der erdige, energiegeladene Sound der Kapelle So&So packt diese Erzählung in einen weihnachtlich-boarischen musikalischen Rahmen und kommt durch das lässig-leichte, aber messerscharfe Zusammenspiel der Musiker fast einer Offenbarung gleich. Dabei war die Ko position der Musik zu „Auf Wiederkaun“ eine echte Herausforderung. Zum einen, weil die Heilige Geschichte jeder kennt, sie aber hier doch anders erzählt wird, was in einem guten Spannungsverhältnis von Tradition und „Neuem“ auch hörbar werden sollte. Zum anderen, weil alles ja schon geschrieben ist, die Charaktere von Ochs und Esel, Maria und Josef schon gezeichnet waren. Die mussten jetzt hörbar werden.
Auch hier galt: Bilder gescheit anschauen, reinspüren, die Geschichte erleben und dann Songs entstehen lassen, die den Figuren quasi auf den Leib geschrieben sind und ganz unterschiedlich klingen: Der Ochs rollt gemütlich im Reggae daher, der bissl höfisch-steife Esel klingt barock, den bodenständigen Zimmermann Josef unterstreichen bayerische Molltöne und die hochschwangere Maria braucht in ihrer Not beruhigende Harmonien.
Auch live auf der Theaterbühne des Dauerbrenners „Himmegugga“ macht das Mutitalent eine formidable Figur.
Auf Wiederkaun – Eine Musikalische Kripperlgschicht
Hörbuch (Buch+CD)
Text und Illustrationen: Sebastian Huber Musik und Bearbeitung:
Stefan Huber, Sebastian Höglauer Originalnoten:
So&So Notenverlag
ISBN 978-3-00-070441-3 29.50 EUR