Zurück in Rosenheim und „Still Alive“. So haben die Brüder Jan und Josef Prasil – als Musiker besser bekannt als „Amistat“ – ihr aktuelles Album getauft. Wir sind noch da. Wir leben noch.

Wir waren zwar monatelang auf eine bis dato nie dagewesene Weise ab vom Schuss, aber hey: wir haben uns nicht kleinkriegen lassen, waren kreativ, haben Songs geschrieben. Und, kaum zu glauben, diese neuen (natürlich mitsamt einem Haufen bereits bekannter) Songs performen die aus Rosenheim stammenden Prasil-Brothers jetzt sogar auf einer kleinen Europa-Tournee. Vor echtem Publikum. Wir Konzertliebhaber leben ja auch noch, halleluja!

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Amistat kehren nach 8 Jahren in Australien zurück

In der Tat quicklebendig sitzen mir die Zwillinge (eineiig) an einem schwülen Augustnachmittag in einem Rosenheimer Biergarten gegenüber. Die von mächtigen Kastanien beschattete Schankstätte kennt man nah und fern als „Mailkeller“, aber streng genommen firmiert sie heutzutage als „Tante Paula“ und passt mit ihrer leicht alternativ angehauchten Attitüde hervorragend zu den beiden hippiesken Barden. Josef, der ganze fünf Minuten ältere Bruder, trägt ein fast bis zum Bauchnabel offenstehendes Jeanshemd, das auf diese Weise vermutlich für ein laues Lüftchen um die Brust sorgen soll; die schulterlange Mähne wird von einem Haargummi gebändigt; Jan hält´s textiltechnisch eher mit Hawaii; konsequenterweise züchtet er den obligatorischen Tom-Selleck-Schnurrbart unter der Nase. Trotz neunmonatiger Bühnenabstinenz und anstehendem Album-Release verströmen die Herrschaften eine Ruhe wie zwei Benediktinermönche nach dem Hopfenbade. Diese „Chase“ nach Erfolg, die „Competition“ mit anderen Bands, die haben sie, sagen Prasils, in Australien gelassen.

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Auch Straßenmusik besser zu Zweit

Das Heimatland ihres Vaters bereisten, bewohnten und bespielten sie satte acht Jahre lang, ehe es sie zu Beginn der neuen Zwanziger-Jahre zurück nach „Good old Europe“ zog. Streng genommen hatte Josef den Australien-Aufenthalt zunächst alleine gestartet, weil Jan dem Irrglauben unterlag, er wolle in der Heimat in Daddys Fußstapfen treten und als Golflehrer reüssieren. Wir schreiben das Jahr 2010 und die damals Zwanzigjährigen sind zum ersten Mal in ihrer beider Leben auf lange Sicht getrennt. „Eine heftige Zeit“, sagt Josef, der den jüngeren Bruder schließlich – nun ja – fast schon herbeizitiert nach Down Under. Oder sagen wir besser: bittet. Der Wahl-Aussie hatte nämlich seinen Kellner-Job in Melbourne geschmissen, nachdem er beobachtete, wie befreundete Straßenmusiker innerhalb weniger Stunden so viel Kohle machten wie er in einer ganzen verdammten Woche. „Das will ich auch!“, lautete der nachvollziehbare Impuls.

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Das Problem an der Sache: Zu dem Zeitpunkt ist Jan der „echte“ (soll heißen: erfahrenere) Musiker. Der kleine Bruder hatte schon im Alter von acht Jahren begonnen, Gitarrenunterricht zu nehmen, während Josef vorerst nur dazu trällerte, um erst sehr viel später auch selbst in die Saiten zu greifen. Jedenfalls: In seinem auf Melbournes Straßen platzierten Gitarrenkoffer wollen sich die Münzen bei weitem nicht so großzügig anhäufen wie bei den neuen Kumpels. Ergo: Zeit für eine Reunion. Zeit, um aus dem eher amateurhaften gemeinsamen Geklampfe zweier Jugendlicher ein zielgerichtetes, professionelles Musizieren zweier junger Erwachsener zu machen. Jan steigt bereitwillig ins Flugzeug, die Lust aufs Golfen ist ihm längst abhanden gekommen.

Josef und Jan Prasil aus Rosenheim werden Amistat

Die Gebrüder Prasil werden Amistat. „Der Name hat zu uns gefunden“, erzählt Josef. Das noch namenlose Duo sei in seiner Bude gehockt und habe eine Platte von „The Fray“ gehört (eine in den USA und Australien sehr erfolgreiche Indie-Rockband), als in einem besonders melancholischen Song dieses Wort fiel: Amistad. Das klang cool, das fühlte sich richtig an, der Begriff bedeutet zudem „Freundschaft“ auf Catalan – und war als Bandname sofort gekauft. Fehlte nur noch der charakteristische Sound dazu, eine klare Klanglinie, eine musikalische Philosophie. Obwohl sie mit Cat Stevens und „Simon & Garfunkel“ aufgewachsen waren, musste eine neuzeitige Band für die Offenbarung sorgen. Damals geht die finnische „Sunrise Avenue“ gerade durch die Decke. Auf Youtube entdecken Jan und Josef eine Radiosession, in der Frontmann Samu Haber und sein Gitarrist den Hit „Fairytale Gone Bad“ akustisch und vor allem zweistimmig performen. Für die Brüder ein Aha-Erlebnis. Sie verlieben sich neu und unsterblich in das Konzept der „Harmonien“. Und diese Liebe verweben sie seither zu eigenen, traurig-schönen Indie-Alternativ-Rock-Hymnen.

Konkurrenz „burnt dich aus“

In Australien treffen Amistat sofort einen Nerv. Das Duo füllt erst Clubs, bald Hallen, tritt bei hochrangigen Festivals auf, gewinnt Preise, bringt mehrere Alben heraus – ein mehr als respektabler Start in eine Laufbahn als Musiker. Die Deutschen tauchen ein in einen Kosmos aus Künstlern; die gelassene, freundliche Mentalität der Australier fördert die Kreativität; niemand nervt mit dieser in der Heimat so gern gesungenen Lithanei von der „brotlosen Kunst“ – kurzum: es lässt sich an wie im Märchen. Leider lebt jedes und so auch dieses Märchen von seinem Konflikt. Keine Sorge: Weder damals noch heute passt auch nur ein Blatt Papier zwischen unsere Protagonisten. Doch es sollte sich mit der Zeit zeigen, dass – bei aller Freundschaft – trotzdem gehörige Konkurrenzkämpfe tobten unter den Stars und Sternchen der Rockmusik-Szene. Es herrscht ein ständiger „Struggle“. Wer verkauft mehr Platten? Wer mehr Tickets? „Das wurde so anstrengend“, ächzt Jan. „Das burnt dich aus“, stimmt Josef zu. Hinzukam, dass die anfängliche Euphorie über dieses geradezu sprichwörtliche „Easy-going“ der Australier nach und nach verebbte. Ob Melbourne oder Sidney, Outback oder Küste – auf Dauer wirkte die unermüdliche Lässigkeit nur noch eintönig.

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Weniger Erfolgsdruck, mehr Feuer – Amistat in Rosenheim

„Back to the roots“, sagen sich die Brüder also. Um den Kulturschock möglichst klein zu halten, landen sie zuerst in England an, von wo aus sie sich zu einer fast zwei Jahre dauernden Tour durch ganz Europa aufmachen (zuerst als Opener für die australische Band „Sons of the East“, dann selbst als Headliner). Anfang 2020 ziehen Amistat endgültig zurück nach Rosenheim. Ein echter Neuanfang. Schließlich ist die hiesige Fangemeinde winzig im Vergleich zur australischen. Das sehen die Neuankömmlinge aber locker, sie wirken geradezu befreit. Ohne diesen Ergolgsdruck macht ihre Berufung doppelt so viel Spaß, das haben sie in den letzten Monaten gelernt. Es geht im Leben nicht um den Erfolg. Es geht um das Feuer. Wer bin ich außerhalb der Musik? Was ist uns wichtig? Wollen wir etwas mit den Zuhörern teilen oder nur unsere Egos füttern? Während des Lockdowns war offenbar nicht nur viel Zeit, um Songs zu schreiben, sondern auch, um sich zu erden und neu zu fokussieren. Und so haben die beiden Folk-Fans entdeckt, dass sie auch gerne Songs für andere Künstler schreiben, sogar mit Pop- und R&B-Einschlag. Sich selbst und ihrem Stil sind sie auf „Still Alive“ aber treu geblieben. Einzig, sagen sie, dass sie inzwischen etwas „mainstreamiger“, klingen, nicht mehr ganz so alternativ wie zu den Anfängen. „Eher broad, als niche“, beschreibt es Josef. Wer die Jungs jetzt hören und sehen will: Die Tour führt am 8. September nach Stuttgart in den Club Cann, am 9. September ins Münchener Monacorona und am 10. September ins Rockhouse von Salzburg.

Hier gibt es alle weiteren Termine.

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