Schön sollen sie sein, vorzüglich klingen – und mindestens 100 Jahre halten: die Instrumente aus der Gitarrenwerkstatt Burga.

Den alten „Burga-Hof“ in Oberneuching (Landkreis Erding) hat der Urgroßvater von Florian Hainz um das Jahr 1850 erworben. Jener Landwirt war es auch, der die Behausungen um das Gebäude erweiterte, in dem der Urenkel heutzutage seine Gäste aka Kund*innen empfängt. Von außen ist dem ehemaligen Kuhstall nicht anzusehen, dass das dereinst darin wohnende Fleckvieh einem wilden Sammelsurium weichen musste – bestehend aus Werkzeugen, Maschinen, mehr oder weniger verrosteten Fahrrädern und einem Haufen anderer Dinge, die zu schade sind, um sie wegzuwerfen, die in Wohnräumen aber nichts verloren haben. Hinauf, auf den früheren Heuboden, gelangt man über eine klapprige Holztreppe.

Gitarrenwerkstatt in altem Burg-Hof in Oberneuching

Der historische Dachstuhl mitsamt dem für den Transport von Strohballen zuständigen Greifer zeugen noch von der bäuerlichen Vergangenheit des „Gemäuers“. (Aufgegeben hat die Familie die Landwirtschaft schon in den 1980er Jahren. Zu viel Aufwand, zu wenig Rendite.) Neben den baulichen Begebenheiten auf dem Burga-Hof erinnert eine stattliche Sammlung betuchter Bulldogs an jene verflossene Ära. Die habe der Opa zusammengetragen, der mit seinen 86 Jahren nach wie vor fleißig daran herumschraube, erzählt Florian. Ein Tüftler sei er, dieser Großvater, und hat vermutlich den Samen gesetzt für die handwerkliche Begabung der folgenden Generationen.

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So war Florians Vater Otto jahrelang als Zimmerermeister tätig. Mit dessen Hilfe entstand da oben auf dem umgebauten Heuboden eine waschechte Gitarrenwerkstatt: ein Refugium im Zeichen des Gitarrenbaus. Bevor der Meister im Fachbereich Zupfinstrumentenbau (wie es sich gehört mit Brief und Siegel von der berühmten Berufsfachschule in Mittenwald) ans Werk schreitet, schreitet er mit den Musiker*innen gern das rappelvolle Holzlager ab. Denn so eine individuell gebaute Gitarre, die soll ja nicht nur den Ohren, die soll auch den Augen schmeicheln!

Florian hat Unmengen heimischer Hölzer zur Auswahl – Ahorn, Eiche, Erle, Fichte, Kirsche oder Walnuss zum Beispiel – die aus dem familieneigenen Wald stammen oder von einem Onkel in Niederbayern beschafft werden.

Fotos: Dominik Schachten

„Ich liebe es, wenn die Streifen nach dem Lackieren glänzen“

Exotische Spielereien wie Ebenholz verarbeitet der 26-Jährige nur ausnahmsweise, da gewinnt der ökologische Gedanke. Sperrholz hat grundsätzlich Hausverbot. „Das klingt nach nichts und schaut auch so aus“, sagt Florian und zeigt zum Vergleich eine Gitarre mit einem Korpus aus geriegelter Esche. „Ich liebe es, wie die Streifen nach dem Lackieren glänzen“, erklärt er. Ein Glanz, der einerseits dem hochwertigen Ausgangsmaterial zu verdanken ist, andererseits der sorgsamen, teils findigen Verarbeitung. Die Poliermaschine, die da im Vorraum zur eigentlichen Werkstatt steht, die gibt es so doch nicht etwa zu kaufen, fragt der Laie. Richtig, nickt ihr Besitzer. Das Fabrikat entstammt – wie so vieles hier oben – der Marke Eigenbau und wurde extra auf die eigenen, hohen Ansprüche hingetrimmt.

Zwei Türen und genauso viele Gipskartonwände weiter versteckt sich das „Lackierkammerl“ mit selbstgebauter Abluftanlage. Der von einem Spezl aufgetriebene Absaugmotor, sagt Florian, stamme aus einer Industrie-Küche. (Und keine Sorge, ergänzt der Nachwuchs-Tüftler, auch eine anständige Zuluft sei vorhanden. Die kommt, wie alles Gute, direkt von oben.)

Gratwanderung zwischen Stabilität und Klang

Bevor eine Akustik-, Elektro- oder Bassgitarre Farbe annehmen darf, hat Florian viele, viele Handgriffe zu erledigen. Deckel und Boden zuschneiden, hobeln und schleifen zum Beispiel oder die Seiten biegen – wobei das hauchdünne Brettchen zuerst nass gemacht und dann an einem Eisen so stark erhitzt wird, bis er es formen kann. Wieder erkaltet, bleibt das Holz stabil in der gewünschten Form; was an ein Wunder grenzt – soll heißen, von der hohen Kunstfertigkeit des Handwerkers zeugt. Denn „hauchdünn“: das war keine Übertreibung! Zwischen zwei und drei Millimeter ist so eine Gitarrendecke maximal dick. Gleichzeitig muss sie ordentlich schwingen können, damit ein voller, runder Klang ertönt. Obendrein üben die Seiten eine Zugkraft von 200 Kilo auf das zarte Deckelchen aus. „Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen Stabilität und Klang“, sagt Florian.

Mit sechs Jahren hält Florian Hainz zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand

Dem gebürtigen Münchener gelingt sie so eindrucksvoll, weil er gerne auf die uralten, überlieferten Zimmerer-Kniffe zurückgreift. Wenn Kund*innen es nicht explizit anders wünschen, tendiert Florian etwa zum „Schwalbenschwanz“, um Hals und Korpus zu verbinden. Sicher, so eine formschlüssige Verbindung akurat herauszuschnitzen, sei deutlich aufwendiger als ein paar Schrauben hineinzudrehen. Das zahle sich aber doppelt aus: zum einen in Form einer viel tadelloseren Tonübertragung (weil mehr Fläche in Kontakt trete), zum anderen in einer genauso eleganten wie bombenfesten Verbindung. „Eine traditionelle Holzverbindung, ein Tropfen Leim – das hält hundert Jahre oder länger!“ Sechs Jahre ist Florian alt, als er zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand gedrückt bekommt, eine ganze Weile nimmt er Unterricht. Später tritt er (zusammen mit Bruder Kilian) einer Band bei, die Oldies der 60er und 70er Jahre covert. Was klingt, als sei der Weg zum Gitarrenbauer vorgezeichnet gewesen, war trotzdem purer Zufall.

Oder darf man es als Fügung bezeichnen? Wer bitteschön entscheidet sich während eines direkt nach dem Abitur angetreten, viermonatigen Neuseeland-Aufenthalts spontan dazu, sich noch vom anderen Ende der Welt aus in Mittenwald zu bewerben? (Und zwar bloß, weil die Freundin eines Kumpels am Lagerfeuer verlauten lässt, es mit Geigenbau versuchen zu wollen.) Und wer bitteschön wird (anders als besagte Dame) nach so einer fast schon hingeschluderten Bewerbung tatsächlich eingeladen – um dann auch noch allen Ernstes die Aufnahmeprüfung zu bestehen?

Leben mit und für den Werkstoff Holz

„Ich habe schon immer gern mit Holz hantiert und sicherheitshalber vorab ein Praktikum bei einem Schreiner gemacht“, sagt Florian, der in den höchsten Tönen schwärmt von der Zeit da unten im Werdenfelser Land, mit dem imposanten Karwendelgebirge vor der Haustür und den weiten, weiten Wäldern. „Da leben die Leute mit und für den Werkstoff Holz.“ Ein verwachsenes Wurzelstück von der Walnuss hat Florian zu seinem Meisterstück verarbeitet. Eine Akustikgitarre mit „Cutaway“, einer Aussparung am Ansatz des Gitarrenhalses, der es Gitarrist*innen erleichtert, die hohen Lagen am Griffbrett zu erreichen.

In den – Achtung, Ausnahme – Mahagoni-Hals hat er einen Carbonstab versenkt. Federleicht und stabil ist das Teil und klingt mindestens so gut wie einer jener Klassiker der Gitarrenbaukunst, die ein Kenner wie er am liebsten gar nicht mehr aus der Hand gäbe, wenn einer den Weg in die Burga Gitarrenwerkstatt findet. Kürzlich habe er eine in den 1960er Jahren gefertigte Höfner reparieren dürfen, erzählt Florian und hat fast einen Blues in der Stimme wegen der Geschichten, die so ein altehrwürdiges Instrument erzählt – von zugigen Konzerthallen und stürmischen Soli und tosendem Applaus.

Mörderisch guter Sound

Das gleiche Gefühl erzeuge eine alte Gibson oder Fender (quasi die Volkswagen unter den E-Gitarren), die auch nach Jahrzehnten des Schrammelns unverwüstlich gut klingen. Deren unverkennbare Formen dienen Florian gern als Inspirationsquellen, um durch hinzugefügte Raffinessen und überraschende Material-Kombinationen eigene, zwar zeitgemäße, jedoch der Tradition verpflichtete Instrumente zu bauen. Und einen mörderisch guten Sound erzeugen sie auch – wie der Gitarrenbauer vom Burga-Hof gerne beweist, mit einem aus dem Ärmel geschüttelten Solo, bei dem seine Finger van-Halen-flink über die Saiten flitzen.

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