Sie ist Modedesignerin aus Neubeuern, die Oma inspirierte Katrin Reheis zur nachhaltigen Arbeits- und Lebensweise. Das Maßatelier der Modedesignerin ist deshalb eine: Hommage an Lotte.
++ Aktuell könnt ihr eine Ausstellung der Modedesignerin und des Fotografen Julian Benedikt besuchen. Sie steht ganz unter den Zeichen eines Neuanfangs, wobei dabei mit dem Wörtchen „neu“ gerne gespielt wird. „NEUbeuern bedeutet für uns beide Heimat, Kultur, Tradition, Vielfalt. Dieser Ort ist Aufbruch und Lebensfreude zugleich – er verbindet uns“, schreiben die beiden Künstler in der Ankündigung zur Ausstellung. Inspiriert durch mexikanische Malerin Frida Kahlo sind in dem Atelier von Katrin Reheis dazu farbenfrohe und einzigartige Kleidungsstücke entstanden, die in Zusammenarbeit mit Julian Benedikt inszeniert wurden. „Frida Kahlo hat sich trotz aller Widrigkeiten nie unterkriegen lassen, hat sich selbst inszeniert und steht für Mut und Stärke. Auch in der heutigen Zeit, insbesondere mit der Stellung der Frau ist es wichtig den Mut nicht zu verlieren, sich dem Leben zu stellen und der Freude am Leben zu fröhnen“.
Die Ausstellung könnt ihr vom 9. bis zum 25. Juli in der Galerie am Markt in Neubeuern besuchen. Vernissage ist am 9. Juli um 18 Uhr. ++
Kleidung ist hier individuell und langlebig
Bevor Katrin Reheis ins Nähkästchen greift, schaut sie den Menschen in den Kopf. Weniger mit chirurgischer als vielmehr mit detektivischer Präzision schält sie dort deren oftmals unbewussten Wünsche und Ideen heraus. Ideen, welches Kleidungsstück aus einem Stoff entstehen könnte; Wünsche, wie dieses Kleidungsstück sitzen und im besten Fall die Schokoladenseiten der Person unterstreichen könnte. Wobei die diplomierte Modedesignerin zum Thema „Schönheit“ eine klare Meinung vertritt: Ob dick oder dünn, ob groß oder klein, ob alt oder jung – jeder Mensch ist auf seine Weise schön! Dementsprechend folgt auf die Detektivarbeit nicht selten angewandte Psychologie – beziehungsweise auf neudeutsch: Empowerment.
Heimische Produkte: Vom Datschn und Spinnen in der Schafwollspinnerei Höfer
Stehe zu dir und deinem Körper; habe Mut zur Farbe; wage ruhig einmal ein außergewöhnliches Accessoire! Katrin würde Kund*innen natürlich niemals zu Verrücktheiten überreden, die gar nicht deren Charakter entsprechen. Andererseits findet vermutlich ohnehinniemand den Weg in dieses märchenhafte Maßatelier am Marktplatz von Neubeuern am Inn, der oder die nicht sowieso ein kleines Statement setzen will. Uniforme Stangenware gäbs schließlich bei diesen ewig gleichen Modeketten, die sich in den Fußgängerzonen von Flens- burg bis Berchtesgaden breit machen. Die zierliche Blonde mit dem großen Gespür will mit ihren Kleidungsstücken Individualität erschaffen, will positive Emotionen wecken, Erinnerungen hervorrufen, den Träger*innen Selbst- vertrauen verleihen. Was sie schneidert, sagt Katrin, sei mehr als Schutz vor Wind und Wetter: „Meine Kleidung ist Kunst am Menschen.“
Nachhaltigkeit von Oma Lotte gelernt
Eine Kunst, welche die Menschheit nicht zuletzt einer gewissen Lieselotte Fischer zu verdanken hat. Katrins Großmutter durfte die Firmengründung ihrer Enkeltochter noch miterleben, ehe sie sich nach über 90 Jahren glücklich und zufrieden in den Himmel verabschiedete, von wo aus sie nun stolz hinunterblicken kann auf die ihr gewidmete „Hommage an Lotte – by Katrin Fischer“. So hat Katrin ihr kleines, feines Maßatelier getauft. Denn: Zur Oma habe sie schon immer einen fast telepathischen Draht gehabt! Wie so viele, die den Krieg durchlebten, sei sie überaus sparsam gewesen, die geliebte Oma, habe genäht und stets darauf geachtet, hochwertige Dinge zu kaufen und diese schonend zu behandeln, damit sie lange, lange halten. „Kind, wenn du dir was kaufst, kauf dir was Gescheites. Alles andere ist zu teuer“, soll die Dame der heranwachsenden Katrin geraten haben. Heute würde man sagen, Lotte habe ein nachhaltiges Leben geführt. Ein Vorbild, dem die Nachfahrin nacheifert – privat genauso wie bei ihrer Arbeit im Atelier.
Kleidung auf Wunsch und Maß gibt’s von der Modedesignerin aus Neubeuern
Zwei Arbeitsplätze mit Nähmaschinen, ein langes Regal voller farbenfroher Stoffe, auf einem Tisch Schnittmuster, Nadeln, Scheren und ein Bügeleisen, ein Kleiderständer voller fertiger Röcke, Kleider, Blusen, Jacken und Hosen – und auf einem Kleiderbügel hängt ein Gespenst mit den Umrissen eines Jumpsuits. Nachdem Katrin maßge- nommen hat, fertigt sie anhand des nach Kund*innenwunsch entwickeltenGrundschnitts aus weißem Nesselstoff ein erstes Modell. Dieser Urtyp spukt dann nicht durchs Atelier, er dient vielmehr dazu, sich bei mehren An- proben dem späteren Kleidungsstück genauestens anzunähern: Weite, Länge, Passform – erst, wenn alles stimmt, setzt die 37-Jährige die Vorlage mit echtem Stoff um.
Ihre vorrätigen Stoffe stammen teils noch aus alten Beständen der Oma, sind Fundstücke aus dem Fundus schließender Schneidereien oder Mitbringsel von Reisen in ferne Länder. In manchen Fällen verarbeitet die Modedesignerin aus Neubeuern auch mitgebrachte Stoffe der Kund*innen – und in besonders ausgefuchsten Fällen handelt es sich dabei nicht einmal um gekaufte Ware! Upcycling ist ein großes Thema bei der gebürtigen Bochumerin, die nach Ausbildung und Studium zunächst für einen Job im Wäschebusiness nach Bayern zog, ehe sie sich selbstständig machte. Und so haucht Katrin auch alten, kaputten Klamotten neues Leben ein oder vernäht von der Tischdecke bis zur Bettwäsche zu individuellen, neuen Kleidungsstücken. Wahrlich, eine Hommage an Lotte.