Thomas Rollfinke verbindet zwei Kindheits-Hobbys zu einer faszinierenden Kunstform: Bügelperlen und Computerspiele.

„Super Mario Bros.“, „Zelda“, „Sonic“, „Tetris“, „Tomb Raider“, „Maniac Mansion“, „Pokémon“ – wer wie Thomas Rollfinke als Kind der späten 80er und frühen 90er Jahre aufwuchs, spürt bei diesen Namen ein Kribbeln in den Fingern. Es handelt sich um ein paar der beliebtesten Computerspiele jener Zeit. Eine Zeit, als die Konsolen mit der ersten Nintendo erst langsam in deutsche Kinderzimmer einzogen; eine Zeit, als man Games nicht aus dem Internet, sondern von Disketten auf klobige Commodore-Computer laden und minutenlang ausharren musste, ehe man endlich zum Joystick (dem damaligen Steuerknüppel) greifen konnte; eine Zeit, als die Grafiken der künstlichen Welten noch herrlich ungelenk, weil arg verpixelt aussahen. Kein Vergleich mit der realitätsnahen Ästhetik heutiger Computerspiele. Doch die Kinder jener Zeit lieben sie genau so wie sie waren, diese quietschbunten Welten aus Ecken und Kanten, auch noch im Erwachsenenalter. Mit der „Pixelart“ hat sich gar eine eigene Kunstform gebildet, die in 8-bit-Optik Retro-Charme versprüht. Der schwedische Künstler Johan Karl-gren zum Beispiel hat es als „Pappas Parlörie“ zu einigem Ruhm gebracht mit seinen pixeligen Skulpturen. Auf dessen Spuren wandelt auch Thomas Rollfinke täglich, sobald er aus dem Büro in Rosenheim in sein hoch über Nussdorf am Inn gelegenes Zuhause zurückgekehrt ist.

Als studierter Informatiker und Software-Entwickler sitzt Rollfinke im Grunde den ganzen Tag am Bildschirm. Ein Job, sagt der 33-Jährige, der ihm zwar Spaß bereite, bei dem er aber nichts Handfestes produziere. Dabei habe er schon immer gern mit den Händen gewerkelt. Also mussten Hobbys her, mit denen er diese Lust am haptischen Arbeiten befriedigen konnte: Neben dem Kochen und Backen entdeckte der gebürtige Rosenheimer eines Tages die noch aus der Kindheit im Keller gebunkerten Bügelperlen als ideale Vehikel für seine Kreativität.

Eine Reihe prominenter Gesichter aus Bügelperlen

Michael Jackson, Charly Sheen, Bill Murray, Freddie Mercury, Quentin Tarantino, Stephen King, Farin Urlaub, Emma Watson, Harrison Ford – eine illustre Reihe Prominenter blickt von der schmalen, begehbaren Galerie hinuter in das Rollfinkesche Wohnzimmer. Es sind seine persönlichen Lieblingsstars – zwischen die sich auch Auftragsarbeiten verirren, die nur kurzzeitig bei Rollfinke und seiner Frau wohnen, ehe sie an „Kunden“ geschickt werden. Unter der Bezeichnung „Unpixable“ bietet der Nussdorfer seine „Bügeldienste“ an oder erstellt Vorlagen für alle, die selbst stecken und bügeln wollen. Auf diesen Starbalkon gelangt man, indem man eine knarzende Holztreppe hinauf und durch das sogenannte „Chaoszimmer“ geht. Das Chaos entsteht, weil Rollfinke sein Hobby längst mit einer unglaublichen Akribie und Professionalität und demzufolge enormen Materialverbrauch betreibt.

Berge aus Steckplatten stapeln sich, Körbe und Fläschchen mit kiloweise Bügelperlen in allen erdenklichen Farben stehen herum, Maler-Krepp und Backpapier liegen bereit. Wenn Rollfinke hier am Schreibtisch mit jenen kleinen Plastikzylindern hantiert, hat das nichts mit den zittrigen Steckversuchen zu tun, die manch einer vielleicht als Kind unternommen hat. Der Star-Wars-Fan ist ein Virtuose, motorisch ungemein geschickt und mit einer Engelsgeduld ausgestattet. Die braucht’s auch! Denn trotz seiner ausgefeilten Technik – Rollfinke lässt bei jedem Handgriff drei Perlen auf die Pinzette und von dort auf die quadratischen Steckplatten gleiten – benötigt er für so ein schlussendlich auf Leinwand gebanntes Starporträt bis zu zehn Stunden. „Die pure Entspannung“, findet Rollfinke.

himmeblau-Blog-Comicfiguren-aus-Bügelperlen

Rollfinke bezeichnet sich selbst als Nerd

Bei den Porträts setzt der Künstler voll auf Schwarz-Weiß. Tatsächlich sind es zwölf Farbschattierungen, mit denen er so ein Gesicht steckt. Das wirke lebensechter als in bunt. Farben kommen nur ins Spiel, wenn er Figuren aus der Comicwelt oder aus den alten, geliebten Computerspielen steckt.

An Inspiration mangelt ihm dabei nicht. Rollfinke gibt zu, in der Beziehung durchaus ein kleiner „Nerd“ zu sein. Er und sein Bruder hätten stets die neueste Konsole haben müssen – ganz egal ob Nintendo, Playstation oder Xbox. Mario, Yoshi und Co. sind ihm aber über die Jahre die liebsten Helden geblieben – wie auch die Kühlschranktür beweist, an der Magnete mit Super-Mario-Motiven haften. Rollfinke hat eine eigene Technik entwickelt, um fertige Bilder zuerst ungebügelt von den Steckplatten und von dort auf die unterschiedlichsten Medien zu bekommen. In der Regel sind das Leinwände. An dieser Stelle kommen das Malerkrepp und zwei Spanplatten zum Einsatz. Er überklebt das gesamte Bild, schiebt es zwischen die Platten, kippt es – und hat die Rückseite ohne Steckplatte vor sich. Das schone den Geldbeutel, sagt der Tüftler, weil beim sofortigen Bügeln gern mal die Steckplatten mitschmelzen. Zudem verhindert er auf diese Weise ein weiteres (bei Ungeübten häufig auftretendes) Malheur: dass sich die Bilder aufwölben, weil man es mit der Hitze zu gut meinte.

Sein Meisterstück: Ein Bügelperlenbild, das sich über die komplette Decke eines Gitarrenkorpus erstreckt. Ebenfalls zu Rollfinkes Philosophie gehört es, stets nur eine Seite seiner Werke zu bügeln. Dadurch bleibt vorne der nostalgische Pixel-Look bestmöglich erhalten – und was will man mehr als Kind jener Zeit, als die Pixel laufen lernten.

<

Hier geht’s zum Instagram-Account.