Wer regelmäßig durch München spaziert, ist unweigerlich schon auf die Kunstwerke der
Illustratorin Katharina Konte gestoßen. Mit ihrer „Window Art“ prägt sie das Stadtbild mit.
Wenn die ersten Lebkuchen in den Supermärkten auftauchen, weiß Katharina Konte, dass für sie bald der alljährliche Parforceritt durch Münchens Fußgängerzone beginnt. Denn Einzelhandel und Gastronomie ziehen schnell nach, um in ihren Räumlichkeiten ebenfalls die „besinnliche Zeit“ einzuläuten. Sortimente, Waren, Angebote werden auf Weihnachten getrimmt. Es gilt, die Schaufenster saisongetreu und möglichst originell zu schmücken, um möglichst viele Passant*innen in den jeweiligen Laden zu locken. Im Wettstreit um Aufmerksamkeit begnügen sich innovative Inhaber*innen längst nicht mehr mit dem altbackenen Klimbim aus bunten Kugeln und grünen Zweigen. Stattdessen rufen sie nach Katharina und ihren kreativen Kreidestrichen. Bevor die 37-Jährige zu einer das Stadtbild still und heimlich mitprägenden Figur wurde, musste sie jedoch eine mutige Entscheidung treffen.
Katharina Konte füllt ihre Skizzenbücher
Gut zehn Jahre ist es her, da beginnt die gebürtige Münchnerin die Ausbildung zur Grafikdesignerin. Was nach dem Abschluss folgt, ist die in der Branche berühmt-berüchtigte Ochsentour von Praktikum zu Praktikum, von Agentur zu Agentur. Das arg technische „Pixelschubsen“ und „Photoshoppen“ ödet die schon seit Kindheitstagen künstlerisch veranlagte Frau schnell an. Also beschreitet sie neue Wege: assistiert zuerst einer Setbauerin für Fotoshootings, dann einem Stylisten für Fotoproduktionen. Beides angenehmer als die auslaugende Agentur-Action, aber immer noch nicht die wahre Erfüllung.
Deutlich wohler fühlt sich Katharina, wenn sie eines ihrer Skizzenbücher anlegt, die sie seit Schulzeiten kunstvoll mit Eindrücken von Reisen, Spaziergängen oder aus dem Alltag befüllt. Im Bücherregal, das im Dachgeschoss der schmucken Schwabinger Wohnung steht, reihen sich dutzende dieser schwarz eingebundenen Journale, die damals wie heute eine Verwandtschaft zu Fotoalben pflegen, nur halt handgemacht daherkommen, voller gezeichneter Bilder. Und genau damit – mit echtem, zeichnerischen Handwerk – will Katharina ihren Lebensunterhalt bestreiten, wie ihr während der andauernden Orientierungsphase mehr und mehr bewusst wird.
In der Vorweihnachtszeit verziert sie Schaufenster im Akkord
Den Beruf der „Illustratorin“ hat sie zu dem Zeitpunkt gar nicht konkret im Kopf. Sie verbindet damit vor allem das Bebildern von Kinderbüchern, was ihr nicht wirklich vorschwebt. Doch sie verspürt den unbändigen Drang, mit dem Zeichnen ihr Geld zu verdienen. Also wagt sie 2013 (Sohn Oskar ist gerade aus dem Gröbsten heraus, Ehemann Ben als Fotograf gut im Geschäft) den Schritt in die Selbständigkeit. Unter das Mansardenfenster zieht ein grober Holztisch, der zur Not auch ein paar Farbkleckse verzeiht; gegenüber wird ein Schreibtisch mit Computer und Bildschirmen aufgestellt; neben die Skizzenbücher ziehen zu Inspirationszwecken auf Flohmärkten und in Antiquariaten erstandene Schmöker (sowie Kuriositäten wie die Bücher über Tätowierungen russischer Krimineller); und aus Mansarde ward ein Atelier.
Auch spannend: Die Bergfexn und das liebe Vieh – Tamara Schweidler begeistert eine riesige Community auf Instagram
Chalkmarker und Stehvermögen
Neben ihrer Fingerfertigkeit benötigt Katharina für jene Werke, für die viele Münchner*innen sie – ohne es zu wissen – kennen, eine ordentliche Portion Stehvermögen. Mit einem sogenannten Chalkmarker in der Hand (ideal, weil abwaschbar) verziert sie Schaufenster – in der Vorweihnachtszeit geradezu im Akkord. Wer halbwegs aufmerksam durch die Landeshauptstadt spaziert, stößt unweigerlich auf Katharinas unverkennbare Kunst: In feinen, weißen Linien zeichnet sie am liebsten Kombinationen aus grafischen Elementen („Ich liebe Dreiecke“), filigrane, florale Formen und zarte, lieblich anmutende Tiere.
Grundsätzlich fertigt sie schon auch Illustrationen für Magazine und Bücher (eines, das Schritt für Schritt zeigt, wie man mit Tusche und Aquarellfarben zeichnet, hat sie selbst herausgebracht), arbeitet für TV-Sendungen, entwirft Logos oder verziert die unterschiedlichsten Produkte vom Turnschuh bis zum Whisky-Fass, doch die Window und Wall Art hat sich zweifelsohne zu Katharinas Markenzeichen entwickelt. Namhafte Marken wie „Hallhuber“, „Dallmayr“, „Lodenfrey“, „Hirmer“ oder „Hans im Glück“ lassen ihre Fensterfronten von Katharina verschönern. Jede Scheibe ein einzigartiger, vergänglicher Blickfang.
Nach dem Trubel braucht die Illustratorin Ruhe
Nach diesen Wochen, in denen sie tagtäglich nur von einem Store zum nächsten zieht und zeichnet und zeichnet, muss ein Ausgleich her. „Das ist auf Dauer eine irre Reizüberflutung“, sagt sie, die draußen, vor den Scheiben, ununterbrochen Menschenströme vorbeiziehen sieht; die drinnen, in den Geschäften, ständig Gesprächsfetzen und Hintergrundmusik in den Ohren hat; die drinnen wie draußen spürt, wie ein andauerndes Raunen in der Luft liegt, das den Menschen maßlosen Konsum einflüstern will.
Ihr sei der Spagat durchaus bewusst, sagt sie, als aktiver Teil dieser gerade vor Weihnachten völlig durchdrehenden Welt gleichzeitig kritisch daraufzuschauen. Umso mehr braucht und gönnt sich Katharina nach dem Trubel erst einmal Ruhe. Die findet sie (übrigens genau wie ihre Inspiration) in der Natur. Mit dem Mann und den inzwischen zwei Buben radelt sie gern durch die Isarauen oder in den Englischen Garten. Falls sich doch die Muse regt, schnappt sie sich ein neues Skizzenbuch und lässt sich ziellos durch die Stadt treiben. „Ich liebe Münchens Häuserfluchten“, schwärmt Katharina. Und wenn sie unterwegs unverhofft auf eine kleine Traube Menschen stößt, die ein bemaltes Schaufenster fotografiert, dann freut sie sich im Stillen, dass sie ihre Heimatstadt Strichlein für Strichlein mitgestalten darf.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite.
