Moritz Bacher steht seit über 20 Jahren auf dem Skateboard. Am Ende ihres bewegten Lebens landeten die Bretter bislang auf dem Müll. Doch dann hatte der Rosenheimer die zündende Idee: In seiner Manufaktur re- und upcycelt er die Sportgeräte.

An Tagen wie diesen, wenn die Sonne vom Himmel lacht und Moritz Bacher frei hat, kommen im Grunde nur zwei Möglichkeiten in Frage: Entweder er düst in einen nahen Skatepark und feilt an seinen Nollies, Pop Shove-It’s, Treflips oder noch ausgefuchsteren Skateboard-Tricks – oder er holt ein paar seiner im elterlichen Keller geparkten Werkzeuge und Geräte hoch in den Garten, stellt zwei Holzböcke auf und sägt und schleift und hobelt an ausrangierten Skateboards herum – und schenkt ihnen damit ein zweites Leben, ein „2ndlife“, wie er seine Manufaktur getauft hat.
Das Haus seiner Kindheit liegt am Schlossberg, über den Dächern Rosenheims, am Ende einer Sackgasse und gleich gegenüber von einem großen Spielplatz. Der scheint den kleinen Moritz seinerzeit nachhaltig begeistert zu haben. Auf jeden Fall arbeitet der gelernte Zimmerer heute bei einem Spielplatzbauer, und so wie er schwärmt von seinem Job – von den putzigen Figuren oder den liebevollen Landschaften aus Rubinienholz – kann man sich den 33-Jährigen nicht nur gut in der Werkstatt, sondern nach wie vor auch kraxelnd auf einem Klettergerüst vorstellen. Obwohl Moritz recht früh von Sandkasten oder Schaukel auf das Skateboard umgestiegen ist. Seit über 20 Jahren bedeuten ihm diese Bretter die Welt. Wo heutzutage im Frühling Tulpen blühen, hatten ihm Mama und Papa sogar eine eigene Mini-Rampe in den Garten gestellt. Dass er mit diesem Hobby mal Geld verdienen würde, konnte da freilich noch niemand ahnen.

himmeblau-Blog-Lampe-aus-Skateboard
Die „Desklamp“ brachte die Erleuchtung: Das neue Hobby des Upcyclings taugt als echte, zweite Einkommensquelle.
Fotos: Moritz Bacher

Durchbruch dank viral gehender Schreibtischlampe

Am Anfang war ein Korkenzieher. Zwei Jahre ist es her, da braucht Moritz ein Geburtstagsgeschenk. Er will aber weder etwas kaufen, noch ein 0815-Teil überreichen. Da kommt er als Handwerker natürlich auf die Idee, eigenhändig etwas zu fabrizieren. Der Blick fällt auf ein Board, das zwar nicht mehr fahrtüchtig ist, aber als schicker Werkstoff taugen könnte. Geistesgegenwärtig verarbeitet er das mehrlagige Brett zum Griff eines kunterbunt gestreiften Korkenziehers. Streifen, die zum Markenzeichen einer ganzen Produktwelt aus recycelten Skateboards geworden sind. Denn dieser Prototyp kam so gut an, dass Moritz zuerst für den ganzen Freundeskreis nachlegen musste und inzwischen – nach einer Art Initialzündung in Form einer in den Sozialen Medien viral gegangenen Schreibtischlampe – bis nach Übersee verschifft. Gerade erst sind bunte Beistelltische fertig geworden, an Aufträgen mangelt´s nicht.

Moritz gönnt sich ein kühles Augustiner, streicht stolz über die armlange Tischplatte und erklärt, wie das Möbelstück entstanden ist. Pro Prachtstück habe er fünf Skateboards recycelt, indem er sie in Streifen schnitt, auf eine Multiplexplatte auffurnierte, das Ganze schliff, ölte und schließlich metallene Tischbeine dranschraubte. Für so große Gegenstände darf er die eine oder andere Maschine seines Arbeitgebers benutzen, alles andere kriegt er im elterlichen Keller hin – beziehungsweise im „ehemals“ elterlichen Keller. „Ich hab mir den Platz nach und nach geraubt“, sagt Moritz schmunzelnd. Ein Diebstahl, der zwischenzeitlich offiziell den Segen der Hausbesitzer erlangt hat. Nachdem das Unterfangen zum lukrativen Nebenerwerb wurde, durfte der kreative Sohnemann seine Werkstatt ordentlich aufstocken.

himmeblau-Blog-Schüssel-aus-Skateboard
Moritz Bacher liebt es zu drechseln. Schüsseln gehören dementsprechend zu seinen häufigsten Produkten.
Fotos: Moritz Bacher

Vom Skateboard zur Schüssel

Bei schönem Wetter führt er manche Handgriffe trotzdem draußen vor dem Haus aus, ein Naturbursche vom Beanie bis zu den Turnschuhen eben. Vieles lässt sich aber nur unten erledigen: Die selbstgebaute Presse mit der Kraft von zwölf Tonnen schleppt er nicht extra treppauf; auch die Drechselbank bleibt unter Tage. An ihr entstehen zauberhafte Schüsseln. Um aus dem ja doch ziemlich dünnen Rohmaterial einen ausreichend dicken Holzblock herzustellen, entfernt Moritz zuerst Gedöns wie Achsen, Rollen und Kugellager. Dann muss das Grip (die Anti-Rutschmatte) mitsamt Lack herunter. Eine ewige Schinderei am Bandschleifer. Es gilt, jedes Fitzelchen zu erwischen, weil andernfalls der von ihm später eingesetzte Leim nicht halten würde. Am Ende bleibt das rohe Deck – bestehend aus sieben unterschiedlich gefärbten Schichten chinesischen oder kanadischen, querverleimten und gepressten Ahornholzes. Diese Brettchen presst und leimt Moritz wiederum zu so dicken Blöcken zusammen, wie er benötigt, um mit der Bandsäge einen Rundling für eine Schüssel heraussägen zu können.

Kleiderbügel, Schuhlöffel, Äxte, Klappspaten, Taschenmesser, Frühstücksbrettchen: „Ich mache am liebsten Dinge, die man benutzen kann“, sagt Moritz; und meint mit „man“ auch ein wenig sich selbst. Der eigene Campingbus quillt fast über vor selbstgemachten Utensilien. Witziger Blickfang: Die Armlehne zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Seinen Hauptjob hat Moritz auf drei Tage reduziert, um alle Anfragen abarbeiten zu können. Noch mehr Board-Upcycling soll´s aber nicht werden. „Ich will, dass es eine Leidenschaft bleibt“, sagt er. Und dann hüpft er auch an diesem Tag noch auf sein Skateboard und zeigt dem Nachwuchs an den Curbs, Rails und Ramps (wie die Szene ihre Hindernisse nennt) drüben im Skatepark, was eine Harke – äh, was ein technisch einwandfreier „Varial Kickflip“ ist.

<