Supermarkt: Das klingt nach anonymem Einkaufen von Massenware. Die Unternehmerfamilie Prechtl mit ihren vier EDEKA-Märkten schafft es demgegenüber, eine persönliche Note und regionale Verbundenheit zu leben, wie sie schon der Ur-Ur-Großvater vor fast 130 Jahren an den Tag legte.

Fotos: Andreas Jacob, Prechtl

Trotz seiner 86 Jahre lässt es sich Wolfgang Prechtl nicht nehmen, jeden Samstag einen kleinen Spaziergang damit zu verbinden, seiner früheren Wirkungsstätte die Aufwartung zu machen. Wobei seine wahre, jahrzehntelange Wirkungsstätte strenggenommen gar nicht mehr existiert. Das alte Kaufhaus in der Raublinger Bahnhofstraße, über Dekaden eine Institution in der Inntalgemeinde, ist schon lange abgerissen. Das trifft einen Kaufmann von echtem Schrot und Korn natürlich ins Mark, wenn eine Ära endet, die man nicht nur am Rande miterlebt, sondern maßgeblich geprägt hat. Andererseits waren die Prechtls schon immer eine ebenso pragmatische wie vorausschauende Unternehmerfamilie.

Als der rüstige Senior-Chef im Jahr 2006 mitansehen musste, wie das frühere Flaggschiff seine Pforten für immer schloss, da konnte er sich mit dem Gedanken trösten, dass er und seine Kinder die Flotte längst zukunftsweisend ausgebaut hatten. Was 1896 mit einem kleinen Kramerladen gegenüber vom Raublinger Bahnhof begann, ist inzwischen auf topmoderne Supermärkte in vier Gemeinden im Landkreis Rosenheim, ein Modegeschäft sowie eine hauseigene Akademie angewachsen, in der sich die rund 400 Mitarbeiter*innen auf vielfache Weise fachlich und persönlich weiterbilden dürfen. Insofern konnte der langjährige Inhaber das Zepter guten Gewissens und ohne Sorge weiterreichen.

<

Alte Registrierkasse erinnert an Edeka Prechtl Vergangenheit

Prechtl Senior passiert bei seinen Stippvisiten in der Firmenzentrale zunächst beeindruckende Reminiszenzen aus der Firmen- und Familiengeschichte. Hunderte Male schon streiften seine Blicke die an der Wand hängenden historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Kramerladen und Kaufhaus, hunderte Male nickte er – wie einer alten Weggefährtin – der imposanten Registrierkasse zu, die gleich neben dem Eingang thront. Von den Anfängen der Geschäfte bis in die 1960er Jahre verzeichnete das Modell auf Heller und Pfennig genau die Tagesumsätze.

Ein paar Türen den Gang hinunter sitzt Jochen Aumüller. Der Vertriebs-Chef der Unternehmensgruppe sagt, die Beliebtheit und der Erfolg der Marke Prechtl basierten nicht zuletzt auf dem Dreiklang aus Tradition, Innovation und Vision. Und nichts spiegele diesen Dreiklang so herrlich bildhaft wider wie jenes samstägliche Ritual. Er, der deutlich jüngere Mitarbeiter mit der lässigen Langhaarfrisur, fühlt eine gewisse Demut, wenn der ebenso ergraute wie erfahrene Grandseigneur einherschreitet und nach dem Rechten sieht. Das hat schon was, wenn von den Wänden die Ahnen winken, den Nachfahren quasi über die Schultern schauen und lauschen, was die wohl wieder aushecken, um das Schiff auch künftig auf Kurs zu halten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mit Simon Mareth sitzt 5. Generation im Edeka Prechtl Boot

Im Aushecken von Neuerungen und erfolgversprechenden Strategien waren sie immer gut, die Prechtls. Wieder und wieder haben sie Pioniergeist gezeigt, sich in unbekannte Gefilde vorgewagt, sind ihrer Zeit voraus und wahrscheinlich gerade deshalb so krisenfest gewesen. Wie hat es mit Simon Mareth der jüngste im Bunde ausgedrückt, als Corona das Land zwei Jahre lähmte? „Wir haben Weltkriege, Währungsreformen und Wirtschaftskrisen überstanden, da werden wir ja wohl auch diese Pandemie meistern!“

Mit Mareth sitzt die fünfte Generation im Boot. An Selbstvertrauen mangelt‘s dem Junior nicht, an der Überzeugung, im Familienbetrieb arbeiten zu wollen, hat‘s nie gemangelt. „Ich bin schon als vierjähriger Bub zum Spaß an der Kasse gesessen“, erinnert sich der 29-Jährige. Später hat er älteren Damen die Tüten zum Auto getragen, als Jugendlicher im Getränkemarkt geschuftet, heute unterstützt er Jochen Aumüller im Vertrieb. Und betont: „Wer glaubt, ein junger Mann müsse sich zu Tode langweilen auf einem fast 130 Jahre alten Dampfer, der irrt gewaltig.“ Wenn die Prechtlschen Supermärkte eines nämlich nicht sind, dann ist es verstaubt!

<

In Bad Feilnbach per App bezahlen

Ausflug nach Bad Feilnbach. Der kleine Kurort zu Füßen des Wendelstein hat rund 8.000 Einwohner*innen. Eine beschauliche, bilderbuchbayerische Gemeinde. Diese ländlich-traditionelle Atmosphäre atmet die Kundschaft zwar auch im jüngsten Frische-Markt ein – mit der an ein Stadl erinnernden Obst- und Gemüseabteilung zum Beispiel, mit den rustikalen Holzregalen, dem kleinen Maibaum, mit den Kuhglocken und Milchkannen als Zierde; doch gleichzeitig gehen Prechtls gänzlich neue Wege.

So können Kund*innen eine App herunterladen, über die sich Einkäufe eigenhändig scannen und am Ende QR-Codes generieren lassen. An der Kasse muss dann nur noch der jeweilige Code eingelesen, die Ware jedoch nicht mehr aufs Band gehievt werden. Klingt cool, doch wie wird die Innovation angenommen? „Noch sehr zaghaft“, räumt Mareth ein, sieht das aber sehr gelassen. Wäre nicht das erste Mal, dass Prechtls ihrer Zeit voraus sind.

Zum Beweis eine Zeitreise: 1909 tritt Gründervater Andreas Prechtl der Edeka-Genossenschaft bei, nur wenige Jahre nach deren Zusammenschluss. Wer sich mit der EDEKA-Geschichte nicht auskennt: 1898 hatten sich im Halleschen Torbezirk in Berlin 21 Kaufleute zur „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“ vereint. Aus der damaligen Kurzfassung „E. d. K.“ wurde Anfang der 1910er Jahre die bekannte Bezeichnung EDEKA. Heute besteht der nach wie vor genossenschaftlich organisierte Verbund aus einer Zentrale in Hamburg, sieben regionalen Großhandelsbetrieben sowie den etwa 3.500 Kaufleuten vor Ort – Prechtls zum Beispiel, mit ihrem unnachahmlichen Gespür dafür, was erst noch Zeitgeist wird.

Zurück zum Thema also: Im Jahre 1972 war es Wolfgang Prechtl, der eine Rolltreppe in sein Kaufhaus einbauen ließ – die erste im Landkreis Rosenheim! Oder das WEZ (wie alteingesessene Bad Aiblinger*innen das 1976 eröffnete Wendelstein Einkaufszentrum noch heute nennen): nicht wenige zeigten Wolfgang Prechtl damals buchstäblich den Vogel. „So eine gigantische Fläche für einen Supermarkt? Du spinnst doch!“ Fleißig eingekauft haben sie freilich trotzdem bei dem „Spinner“. Oder der schicke Frischemarkt in Raubling, wo im Zuge der Erweiterung in 2016 auch – erstmalig in ganz Süddeutschland – hochmoderne Selbstbedienungskassen installiert wurden. Dafür zeichneten bereits Andreas und Monika Prechtl sowie seine Schwester Petra Prechtl-Mareth verantwortlich, die Mutter von Simon. Sie liegt ihnen offenbar allen in der DNA, die Innovationsfreude. 

In den Edeka Prechtl Regalen herrscht Regionalität

Zur DNA des Unternehmens gehört obendrein die sich auch im Sortiment niederschlagende Verbundenheit zur Region. Da finden sich zum einen die Produkte des im Landkreis beliebten Labels „Nimm’s RegRonal“ (RegRo), darüber hinaus hat Prechtl ein eigenes Logo entwickelt:„Regional einkaufen & genießen“. Damit kennzeichnet die Familie Produkte, deren Herstellung, Verarbeitung oder Veredelung in einem Umkreis von maximal 40 Kilometer Luftlinie von den Märkten entfernt stattfindet. „Wir sind Teil der Region, also fühlen wir uns ihr auch verpflichtet“, erklärt Andreas Prechtl dieses Engagement.

Auch köstlich: Das „Wiggerl Siebzehn.“ bringt Alpines und Urbanes zusammen

Bei einigen Produkten geht Prechtl sogar noch weiter. Das erinnert dann schon fast an die Ursprünge, an die Zeiten des Kramerladens. Damals karrte man Waren wie Milch, Eier oder Honig, die in der Nachbarschaft verfügbar waren, ja auch nicht aus aller Herren Länder herbei. Und so hat auch heute jeder Markt einige Lieferanten, die buchstäblich vor der Haustür liegen. Ein spürbares Bekenntnis zur Heimat, das die Kund*innen schätzen und honorieren. Da kann der Senior-Chef noch viele, viele Samstage vorbeischauen und stolz und zufrieden wieder von dannen ziehen.