Detailreiche Zeichnungen und humorvolle Szenen machen sie bei Alt und Jung beliebt. Nun bekommt auch Rosenheim sein erstes Wimmelbuch.

Endspurt. Wenn man bei diesen diffizilen, behutsamen Bewegungen überhaupt von einem „Spurt“ sprechen kann. Felix Steffan sitzt am Schreibtisch, in seiner gemütlichen Wohnung im Münchener Stadtteil Lehel, nicht weit vom Isartor. Im Schein der Schreibtischlampe taucht er den Pinsel in ein Keramikschälchen, in dem er sich aus seinen Aquarellfarben ein zartes Grau angemischt hat. Vor sich auf dem Schreibtisch liegen einige Blätter, auf die er die Farbe nun vorsichtig aufträgt. Bloß nicht über die einzelnen Konturen hinausfahren! Gerade koloriert der angehende Bilderbuchautor Dachziegel. Ein paar auf dieser Seite, ein paar auf der nächsten, bis auf jedem Blatt mit Hausdächern einige diesen einen Farbton tragen. Dann mischt er einen neuen Farbton an und das Prozedere beginnt von vorn. Seit Sommer 2018 sitzt Steffan täglich an diesem Projekt: komplett in Eigenregie das erste Wimmelbuch über Rosenheim herauszubringen. Und allein die hochaufwendige Art des „Ausmalens“ seiner insgesamt neun Szenerien erklärt, warum so viele Monate ins Land zogen, ehe das Buch diesen Dezember erscheinen soll.

Die beeindruckend sauberen Farbflächen erreicht der 31-Jährige, indem er nicht einfach nur einmal drüberpinselt. Stattdessen arbeitet er mit Lasuren. Bis zu fünf hauchdünne Farbschichten übereinander trägt er auf, jeweils in einem anderen Ton. Das führt beim Beispiel der Dachziegel dazu, dass die Dächer unwahrscheinlich echt wirken – wie von Wind und Wetter gegerbt. So zeitraubend diese Vorgehensweise auch sein mag, Steffan empfindet diese finale Phase des Projekts als Belohnung für die vorangegangene Mühsal. Begonnen hat das Ganze mit Bleistiftzeichnungen. Der Max-Josefs-Platz, Rosenheims historischer Markplatz mit den prägnanten Bürgerhäusern im Inn-Salzach-Stil, war das erste Motiv. Über einen Zeitraum von fast zwei Wochen saß Steffan während eines Urlaubs täglich bis zu fünf Stunden an diesem Erstling. „Das Illustrieren ist das Anstrengendste“, sagt er. Die Architektur, das Repertoire an Personen (im Schnitt 80 pro Bild) und ihre unzähligen Tätigkeiten zu Papier zu bringen, koste unfassbar viel Zeit. Die Konturen im zweiten Schritt mit Tusche nachzufahren und somit zu fixieren, sei eher mechanischer Natur gewesen und mitunter ein ziemlicher Kraftakt – für Geist und Körper. „Die Hand verkrampft irgendwann, weil man Stunde um Stunde mit dem feinen Werkzeug hantiert“, stöhnt Steffan schmunzelnd.

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„Das Zeichnen ist wie Mediatation“

Nun, beim Kolorieren, spaziere er sozusagen noch einmal durch alle Schauplätze, entdecke längst vergessene Personen wieder und hauche den bis dahin schwarz-weißen Illustrationen endgültig Leben ein. „Das ist wie Meditation“, sagt der gebürtige Rosenheimer, der tagsüber als Redakteur in einem Verlag arbeitet und abends das erste eigene Buch aquarelliert. (Sieht man einmal ab von dem Büchlein über einen wurstförmigen „Herren Frankfurter“, dass er dereinst als Geschenk für seine Nichte bastelte.)

Gezeichnet hat Felix Steffan bereits als Jugendlicher, schon vor dem Kunstleistungskurs am Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasium. Mit den Jahren fand er zu seinem heutigen Stil. Sehr kleinteilige Motive malt er am liebsten, einen Mülleimer zum Beispiel, aus dem irre viele Dinge quillen – da war der Weg zum Wimmelbild nicht weit. Zumal man als buchaffiner Mensch in München ja ohnehin in jeder Buchhandlung über die unterschiedlichsten Exemplare dieses Genres stolpert. Kein Wunder, schließlich stammt mit Ali Mitgutsch der sogenannte Vater der Wimmelbilder aus der bayerischen Landeshauptstadt, deren buntes Treiben er in etlichen Büchern bändigte. Weil er dessen Werk nichts mehr hinzuzufügen haben würde, lag es für Steffan auf der Hand, ein Wimmelbuch über seine Heimatstadt zu zeichnen.

Das „Rosenheim Wimmelbuch“ erscheint im Eigenverlag

Bis zu 60 Stunden Zeichenarbeit investiert Steffan in ein Wimmelbild. Die Auswahl der Motive stellte kein Problem da, der Rosenheimer hielt sich an die bekanntesten Orte und Aushängeschilder der Stadt: Max-Josefs- und Ludwigsplatz, das Herbstfest, der Salzstadl, Busbahnhof mitsamt VHS, Riedergarten und Lokschuppen mit Wikingeraustellung. Für ein wenig weitläufigeres Lokalkolorit sorgen der Badeplatz Baierbach am Simssee und der Heuberg. An die Grenzen seiner Kreativität gelangte der studierte Kunsthistoriker nur, als es darum ging, immer wieder neue Szenen zu erfinden. Ein paar Personen dürfen zwar öfter auftreten – zwei Polizisten zum Beispiel oder eine asiatische Touristengruppe – doch deren „Handlungen“ sollten stets neu sein. Während die beiden Schutzmänner also im Riedergarten einen „Wildgriller“ ermahnen, trippeln sie als aufmerksame Beobachter über das Herbstfest oder überwachen einen Ladevorgang am Salzstadl. Freunde und Verwandte mussten für die Action auf den Bildern irgendwann als Ideenlieferanten herhalten. Eine große Herausforderung seien mit der Zeit auch die vielen Fenster geworden, erinnert sich Steffan. Wegen der städtischen Szenerie gibt es viele Gebäude und somit viele Fenster. Und diesen Punkt wollte der Künstler kreativer lösen, als es die meisten Wimmelbücher tun. Auf Hunde, Katzen und Kakteen komme jeder, sagt Steffan. „Aber versuch mal, einen Zahnarzt darzustellen, den man durchs Fenster beim Arbeiten sieht!“.

Während der Zeichner letzte Farbnuancen setzt, läuft auf Startnext eine Crowdfunding-Kampagne an. Das „Rosenheim Wimmelbuch“ soll im Eigenverlag erscheinen. Drucken lassen möchte Steffan in Deutschland, bei der einzigen Druckerei, die das Format noch im Portfolio hat. Bis zum 1. Dezember können Interessenten das Buch vorbestellen. Sie ermöglichen dadurch den Druck – und sichern sich gleich ihr persönliches Exemplar. „Da wimmelt´s unterm Weihnachtsbaum!“, verspricht Felix Steffan, Autor, Zeichner und Herausgeber von Rosenheims erstem Wimmelbuch.

www.taubeundspatz.de